Dienstag, Juni 29, 2004

Moderne Wegelagerer- oder wie komme ich von A nach B über C, D, E und F

Das Wetter ist hervorragend. Nein, nicht die Wetterlage, zumindest nicht die in München. Die Wetterlage in der bayrischen Landeshauptstadt ist immer noch miserabel. Das ist wohl ein Zustand für den die CSU ausnahmsweise nichts kann.
Oder etwa doch? Schließlich bringen ausschließlich schwarze Wolken schlechtes Wetter.
Nichtsdestotrotz das Wetter ist hervorragend geeignet als Gesprächseinstieg. Sowie zum Beispiel zu diesem hier.
Und je besser das Wetter, also dessen Lage, desto besser die Laune der Betroffenen und somit der Einstieg in ein Gespräch. Das ist gut so.
Eigentlich. In jeder Gesellschaftsform. Nur nicht in der unseren postindustriellen von Dienstleistungen verseuchten westlichen Gesellschaft.
Hier tauchen urplötzlich unbekannte Gefahren auf.
Denn sobald die Wetterlage sich bessert, begibt man sich gut gelaunt auf die Straße. Klar, man ist dort leider nicht allein, denn die Straßen sind voll mit Menschen.
Wenn es jedoch nur das wäre: Menschen.
Im Laufe der Jahrhunderte haben wir uns ja an sie gewöhnt. An die anderen Menschen. Menschen auf der Straße sind an sich kein Problem.
Aber, wir sind nicht allein.
Sie sind mitten unter uns!
Wer?
Die Promoter!
Kreaturen in knallbunten, körperbetonten Kleidern oder in unscheinbarer, bürgerlichen Tarnanzügen, aber immer mit diesem unmenschlichen, hybriden Lächeln im Gesicht und einer Freundlichkeit, die gespritzt, gedopt, eingeschmissen, oder was auch immer, aber auf keinen Fall natürlich ist.
Menschen auf der Straße sind, auch bei Sonnenschein, allerhöchstens freundlich unhöflich. Nie aber mehr. Selbst bei schönstem Wetter raunzen Menschen zurück, wenn man schüchtern nach dem Weg fragt, motzen, wenn man sie aus Versehen anrempelt.
Promoter lächeln. Egal, was man macht oder sagt. Auch wenn man ihnen ins Gesicht schlägt. Mit ihren verbliebenen schneeweißen Zähnen werfen sie uns dann aus dem blutüberströmten Geicht weiterhin ihr debiles Lächeln entgegen. Ihr Lebenszweck ist Lächeln.
Sind Promoter daher vielleicht sogar die besseren Wesen?
Die nächste Stufe auf der Evolutionsleiter?
Nein! Sie sind grausam. Während wir ihnen nur ihre Gesundheit nehmen können, nehmen sie uns alles. Das wichtigste. Etwas was uns keiner mehr wieder geben kann. Was für immer und ewig verloren bleibt, wenn man es einmal gebraucht hat.
Promoter stehlen uns unsere ZEIT!
Sie halten uns auf. Mitten in unsere Leben. Reißen uns raus aus unseren Plänen und Träumen; bringen uns von unsere Wegen und Zielen ab.
Für was?
Für Dinge, die wir nicht brauchen. Für Dinge, die man, nachdem sie erfunden worden sind, erst noch einen Zweck dazu erfinden musste.

Warum ich mich eigentlich so darüber aufrege?

Weil ich immer auf sie reinfalle. Ich schaffe es nicht ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich kann es nicht übers Herz bringen NEIN zu sagen, weiter zu gehen, sie mit ihrem scheußlichen Lächeln stehen zu lassen.
Nein, so grausam kann ich nicht sein. Aber genau dafür hasse ich sie! Sie nutzen mich aus, verführen mich, machen aus mir einen Konsumjunkie.
Aber noch bin ich ihnen nicht ganz verfallen. Noch kann ich etwas selbständig denken und weil ich mir über diesen Missstand bewusst bin, versuche ich ihnen auszuweichen.
Versuche ihnen aus dem Weg zu gehen, selbst wenn das für mich bedeuten mag viel befahrene Straßen, wie den Mittleren Ring, während der Stoßzeit unter Lebensgefahr zu überqueren oder auf der Rolltreppe kehrt zu machen, alte Frauen aus dem Weg zu stoßen und mit der U-Bahn minedstens zwei Stationen weiterzufahren, in der Hoffung der Promoterbrut am dortigen Ausstieg nicht zu begegnen zu müssen oder mich über Hinterhöfe, Rosengärten und Seitengassen zur Uni durchzuschlagen.
Kein Weg ist mir zu weit, zu schwierig, zu umständlich um diesen lächelnden, herzlosen Wesen zu entkommen.
Ich soll einfach nicht an ihnen vorbei gehen und ihnen ein eiskaltes NEIN entgegenschleudern und weitergehen?
Hab ich versucht, aber ich entkomme ihren Bann nicht. Ich schaffe es nicht.

Promoter:Hallo (lächel) haben (lächel) Sie (lächel, der Typ ist so alt wie ich und Siezt mich!)einen (lächel) kurzen (lächel) Moment (lächel) ZEIT (dreifachlächel)

Opfer (also ich): äh, nei...

Promoter: Neitürlich (lächel), also…

Und dann ist es vorbei.

Ich stehe da, gefangen mitten unter Menschen, die das wundervollen Wetter genießen und gutgelaunt sind, weil ich in den Fängen dieses Promoters bin und sie unbehelligt weiterziehen könne. Manch einer schenkt mit beim Vorübergehen ein bemitleidendes Lächeln (!) und spaziert weiter.
Ich aber stehe da, probiere ohne nachzudenken, den mir angebotenen Joghurt, behaupte mechanisch er schmecke gut, rauche 3, 4 Zigaretten einer mir als absoluter Nichtraucher unbekannten Marke, huste, röchel, unterdrücke den Würgereiz, gebe an 8mal die Wochen in jedem In-Schuppen der Stadt abzutanzen, hunderte von Euro meines Bafögs am Tresen liegen lassen, ich aber dennoch gerne den Newsletter dieser neuen Disco abonnieren möchte, genauso wie ein zweites Mal die SZ, und auch die FAZ, die Bunte und die Bild am Sonntag und höre dabei wie der Sand meiner Lebensuhr unaufhörlich sanft und gnadenlos nach unten rieselt.
Während ich den Vertrag für die Lebensversicherung unterschreibe fühle ich wie sich der Tod schon langsam an mich heranschleicht. Er lächelt im Übrigen.
Promoter sind Mörder.

Aber ich gebe den Kampf nicht auf!
Leider gelingt es mir, trotz größter Aufmerksamkeit, nicht immer diesen Wegelagerern erfolgreich aus zu weichen. Zum Teil positionieren sie so strategisch geschickt, dass man keine menschenmögliche Chance hat an ihnen vorbei kommt. Darum musste mir, wollte ich nicht all meine Lebenszeit und Finanzen an sie verlieren, eine neue Strategie entwickeln. Die so genannte Hab-ich-schon-danke-brauch-ich-nicht-mehr Strategie. Allerdings erforderte dieser Plan eine umfassendere Vorbereitung: Nächtelang durchforstet ich das Internet um wirklich jedes Produkt dieser Erde aufzuspüren, dass möglicherweise promotet werden könnte. Von allem machte ich mir eine originalgetreue Kopie. So habe ich nun immer bei mir, u.a. eine SZ, FAZ, ZEIT, BILD, eine Auto-Lebens-Haftpflichtversicherung, eine Kreditkarte von jedem namenhaften Bankinstitut der EU, Zigarettenschachteln, Bahnkarten, etc.
Und?
Es klappt!
Seitdem ich das mache, erspare ich mir viele Umwege.
Keine verschrammten Knie vom über die Hecke klettern, o.ä.
Ich entkomme den Promotern. Ich leben wieder. Ich bin frei!!

Allerdings ist es leider sehr umständlich täglich mit einem Trekkingrucksack voller Dinge U-Bahn zu fahren und schafft man es dann nicht rechtzeitig den richtigen Artikel aus der Tasche zu kramen, ist alles umsonst.
Sie kriegen einen doch.
Und dann hat man statt einer zwei Monate alten SZ, die der Tarnung diente, eine aktuelle in der Hand. Plus die Rechnung fürs dritte Studentenabo.

Donnerstag, Juni 03, 2004

Bonn – die Haupt, öh, Stadt Deutschlands

Wir schreiben den Wonnemonat Mai 2004 und während wir das schreiben, streichen wir gleich mal wieder das Wonne im Monat und fragen uns, warum es in aller Welt überhaupt noch die Bezeichnungen Frühling, Sommer, Herbst und Winter gibt. Es hält sich eh keiner mehr dran. Frostgefahr im Mai passt nicht so ganz in die lexikalische Definition von Wonnemonat!
Mir scheint, dass sich Mutter Natur momentan in einem Entbürokratisierungsprozess befindet und sich dabei alle Freiheit nimmt winterliche Wettererscheinungen in den Sommer zu stecken und andersherum.
Bonn.
Wie komme ich jetzt darauf?
Ich war da.
Und?
Ja, im Mai halt! 2004.
Und so wie der Mai kein Wonnemonat war, so ist Bonn auch keine BundeshauptSTADT.
Das wusstet ihr schon?
Ich nicht.
Zumindest mit der sogenannten Stadt. Das mit dem Bundeshaupt hat sich ja zur Hälfte schon erledigt.
Denn ich war jetzt zum ersten Mal in Bonn und beeindruckt.
In dieser Stadt soll sich tatsächlich mal ein Kanzler namens Helmut Kohl bewegt haben.
Wie? Ist doch gar kein Platz. Ich verstehe mittlerweile warum der unbedingt nach Berlin und auch warum er nochmals gewählt werden wollte.
Wobei das letztere ja bekanntlich keine gute Idee war, und ob ersteres besser ist wird nicht nur in finanzpolitischen Kreisen bezweifelt. Wie überhaupt die ganze Geschichte mit der Mauer.
Blühende Landschaften gibt es zumindest in Bonn. Kneipenlandschaften. Einer der angesagtesten Bonner Landschaftsgärtner ist ein gewisser T.P. aus B. (odelshausen) Der nämlich zeigte mir bei meinem Besuch eine besondere Blüte dieser Landschaft, die Lilie des Nachtlebens sozusagen: das Blow up. Diese Kneipe ist cool (Punkt) Nicht weil es ein ehemaliges Puff ist, in dem wahrscheinlich zu Bundeshauptstadtzeiten bayrische Exilpolitiker der Einen Partei praktische Erfahrungen in sozialen Brennpunkten sammelten, sondern weil es einfach cool ist (Punkt) Allerdings nicht in allen Punkten, denn wenn man als Wahlmünchner dem Wahlbonner ein landesspezifischen Gastgeschenk mitbringt, das aus Weißwurst, Brezn und Augustiner besteht. Dann ist man schon etwas angesäuert, wenn ausgerechnet der coole Laden neben Beck´s, Heineken auch noch Augustiner führt! Gastgeschenk kaputt, der Laden aber cool.
Aber nicht nur dieser Schikane sah ich mich als Wahlmünchner ausgesetzt.
Was haben die Menschen in Deutschland, die nicht in den Südstaaten leben, gegen Bayern?
Warum muss ich oberhalb des Weißwurstäquators ständig Partei für die Freistaatler ergreifen?
Kann ich was für Edmund Stoiber, den FC Bayern oder das Oktoberfest?

Jedes Mal muss ich mir das anhören, verteidigen (ja, sogar den FC), einschreiten, richtig stellen, obwohl ich kein Bayer bin!
Die Notbremse ist dann immer:
Ich komm ja gar nicht aus München, ich komm bei Tübingen.
(Schweigen und dann:) Haha haha, prust, gröl, haha! Ein Schwabe, hihi, ach der VFB, gell und schaffe, schaffe...
Und schon geht´s weiter. Jetzt lästert man über die Schwaben...
Sind wir denn nicht nur intelligenter und erfolgreicher als der Rest Deutschlands, sondern haben wir auch noch mehr Anstand?
Ich weiß es nicht.

Aber ansonsten ist Bonn schön.
Ich habe mir, als zukünftiger Lehrer natürlich die Stadt angeschaut. Das teils ehemalige Regierungsviertel, die Kunsthallen (von außen), das Propagandahauptquartier der deutschen Demokratie (Haus der Geschichte), etc.
Dabei ist mir aufgefallen:
Bonn hat die unerotischsten U-Bahnhaltestellen Deutschlands!

Wie soll es einem denn Spaß machen an diesen Stellen auszusteigen?

Deutsche Telekom
Hauptbahnhof Gleis 1
Wurzerstraße
Sürth

In Berlin hört sich das wenigstens nach was an, wenn man so durch den Untergrund rauscht. Unter den Linden, Potsdamer Platz, Zoologischer Garten, Alexanderplatz

Es ist eine Beleidigung für die Ohren. Diese U-Bahnstationen in Bonn. Eigentlich sollte man dort aus Protest nur noch schwarz fahren. Denn für was zahlt man denn? Für Bundesrechnungshof/ A. Amt?

München dagegen hat ja wohlklingende Namen. Aber wenn die weiterhin solche Preise für den MVV verlangen, möchte ich auch hier eine Namensänderung anmahnen. So dass das Verhältnis wieder stimmt: z.B. El Dorado, Fort Knox,
oder für die Poccistraße (wo die MVG sitzt) Ali Babas Räuberhöhle.

Aber trotz diesem Mangel an Erotik ist Bonn ein schönes Städtchen zu besichtigen. Vielleicht wird es ja auch mal eine richtige Stadt.

Die Isarflößer surfen wieder!

Nach langer Pause wieder zurück. Heute Abend surfen die Isarflößer wieder - in der Stadtbibliothek Unterschleißheim im Rahmen der "Lang...