Es war zu der Zeit, als der Weihnachtsmann noch zu Fuß und alleine am Heiligabend den Kindern die Gaben brachte. Den prall gefüllten Sack mit Apfel, Nuss und Mandelkern zog er auf einem Schlitten hinter sich her, wenn er sich mit stapfenden Schritten den Weg durch den tiefen Schnee bahnte. Es war zwar eine anstrengende, aber machbare Arbeit, denn so viele Kinder lebten noch nicht im Land und von weit her musste er auch nicht reisen. Ließ man ihm doch tief im nahe gelegenen Wald, wo er das Jahr über hauste, seine Ruhe.
Es war also an einem Heiligen Abend
in jener Zeit, da befand sich der Weihnachtsmann auf seiner Runde, um die
Kinder eines besonders braven Köhlers und Waldbauern zu beschenken, als alles
ein wenig anders wurde.
Der stattliche Mann in seiner roten
Robe trat aus dem dichten Wald auf die Lichtung, auf der sich das Anwesen
besagter Familie befand. Aus der Ferne sah er bereits die hell erleuchteten
Fenster der behaglichen Wohnstube, so dass er seinen Schritt etwas beschleunigte,
um bald den wärmenden Schnaps des Hausherrn zu erhalten. Damals hatte der
Geschenkebringer noch für einen kleinen Plausch mit den Eltern Zeit, um sich
über das Verhalten der Kinder auszutauschen. Als der Weihnachtsmann aber gerade
die Stallungen passierte, hörte er aufgeregtes Grunzen. Neugierig öffnete er
die Stalltür, wisperte leise einen Zauberspruch, sodass die Spitze seines
Zeigefingers schwach, aber hell genug leuchtete, um sich im Stall umzuschauen. Siehe
da: Dort war ein Schwein, welches grunzend und quieckend versuchte aus dem
Gatter auszubrechen. Erneut sprach der bärtige Mann magische Worte und nun
verstand er die Laute des Borstentiers: Nicht ins Haus! Nicht ins Haus!
Waldwichtel warten! Wollen dir schaden! Wollen dir schaden!
Es dauerte eine Weile, bis er das arme Tier
etwas beruhigt hatte und sich ein Bild über die Lage verschaffen konnte. Eine
Horde fieser Waldwichtel hatte ihm einen Hinterhalt bereitet und hielt dazu die
Familie im Haus fest. Die kleinen Kobolde hatten es auf den Sack voller Gaben
abgesehen. Doch so einfach sollten es diese Wichte nicht haben. Er wollte ihnen
eine Lektion erteilen. Der Weihnachtsmann löste seine Rute und sprach erneut
einen Zauberspruch. Die Rute wackelte und zwackelte und siehe da: Plötzlich
schwebten zwei Ruten in der Luft, die beide wiederum wackelten und zwackelten
und hoppla hopp waren es vier. So ging es, bis der ganze Stall voller Ruten
hing. Mit dem Wink seines Zeigefingers jagten die Ruten schließlich aus der Stalltür
ins Haus, welches nach kurzer Zeit von Klopfen und Wehklagen erfüllt war.
Rettung suchend flüchteten die Wichtel in den Wald. Doch vergebens. Die Zweigebündel
fanden sie auch dort und trieben sie vor sich her, in Richtung Heimstätte des
Weihnachtsmanns. Dort sollten sie für ihre Missetat büßen, indem sie ihm auf
allezeit zu Diensten waren.
Schließlich trat der Weihnachtsmann
selbst ins Haus, fand die Familie unversehrt und bescherte ihnen die Gaben.
Groß war die Freude, es gab sogar ein extra Gläschen Schnaps und fröhlichen Weihnachtsliedergesang.
Schließlich bot der Herr des Hauses dem Retter an, gemeinsam den Jahreswechsel
zu feiern. Es würde sogar ein Schwein geschlachtet und es gäbe Essen in Hülle
und Fülle. Ob es sich um das Schwein im Stall handele, das geschlachtet werden
solle. Ja, natürlich, ein anderes habe man nicht. Da wurde der Weihnachtsmann
ernst. Als Lohn für die Rettung verlange er eben diese Sau. Der Vater war
verunsichert und zögerte. Der Bauer müsse sich keine Sorgen machen, die Familie
werde deshalb nicht darben müssen. Dafür werde er, der Weihnachtsmann, schon
sorgen. Nun schickte der Vater den ältesten Sohn, um die Sau zu holen, denn an
den Worten des sonst auch so großzügigen Mannes war nicht zu zweifeln.
Das Schweinderl konnte sein Glück
kaum fassen, als es mit dem Weihnachtsmann von dannen zog, der mit schweren
Schritten seinen Schlitten zur nächsten Bescherung zog. Es könne ihm doch
helfen, grunzte es, schnappte sich kurzerhand den Strick aus der Hand des alten
Mannes und trabte mit dem Schlitten und dem Sack davon. Verdutzt folgte der
Weihnachtsmann seinem neuen Begleiter und in guter Zeit hatten sie alle
Familien an diesem Abend besucht. Von nun an sollte das ungleiche Paar jede
Weihnacht gemeinsam seine Runde machen. Die Kinder freute das so sehr, dass
schon bald in vielen Stuben handgemalte Bilder vom Weihnachtsmann und seinem
Schwein hingen.
So hätte es bis in unsere Zeit
weitergehen können, jedoch kam es anders: Die Bevölkerung begann zu wachsen und
die Menschen brauchten mehr Platz zum Leben und drangen immer tiefer in die
Wälder ein. Der Weihnachtsmann war gezwungen, wollte er seine gewohnte Ruhe
behalten, sich immer tiefer immer nördlicher in immer unwegsameres Gebiet
zurückzuziehen. Aufgrund der größeren Zahl an Kindern war die Arbeit am
Heiligen Abend zudem beschwerlicher geworden. Zuerst verzichtete der
Weihnachtsmann auf seinen geliebten Schnaps, um die Runde pünktlich absolvieren
zu können. Doch mehr Kinder brauchen auch mehr Geschenke, also war ein größerer
Schlitten von Nöten. Diesen wiederum konnte das Weihnachtsschwein nicht mehr
alleine ziehen. Hilfe kam von ein paar Rentieren, die der Weihnachtsmann im letzten
Winter, der besonders hart war, durchgefüttert hatte. Jedoch stießen auch diese
bald an ihre Grenzen, sodass der Rotgewandete gezwungen war, Magie anzuwenden.
Von nun an sollte er mit einem fliegenden von Rentieren gezogenen Schlitten
unterwegs sein, so wie wir es kennen.
Wo aber war das Schwein? Der Zauberspruch,
der die Rentiere zum Fliegen brachte, versagte leider bei dem schweren
Borstentier. Während also sich der Weihnachtsmann mit seinen Rentieren durch
die Lüfte schwang, musste es am Boden bleiben, allein im tiefen Schnee bei
Eiseskälte. Dem alten Herrn brach es das Herz, seinen geliebten grunzenden
Gefährten immer wieder zurückzulassen.
Weihnachten rückte erneut einmal näher,
seine Wichtel, die er einst mit Ruten vom Hof des Waldbauers getrieben hatte
und nun fleißige und zuverlässige Helfer geworden waren, packten schon die ersten
Geschenke in den riesigen Sack, als es an seine Tür klopfte. Dort stand ein
pechrabenschwarzer Wichtel. Er war einst der Anführer der Horde gewesen und
hatte eine besondere Aufgabe erhalten. Der Weihnachtsmann hatte nämlich begonnen,
die Gaben nicht mehr persönlich abzuliefern, dazu war keine Zeit mehr, sondern
sie durch die Schornsteine in die Stuben zu zaubern. Dazu mussten die Schlote
aber frei und sauber sein und dafür sorgte in der Adventszeit der Schwarze
Wichtel, der mit seinem Zylinder, seinem schwarzen Rock und der kleinen Leiter
ein wenig an den uns bekannten Schornsteinfeger erinnerte.
Er habe seine Arbeit erledigt,
Weihnachten könne kommen, berichtete er. Zufrieden nickte der Weihnachtsmann,
griff in den Sack, um ein kleines Geschenk der Anerkennung herauszufischen.
Aber, fuhr der Wichtel fort, er wisse nicht, ob er es im nächsten Jahr auch
wieder rechtzeitig schaffen werde, da die Zahl der Häuser jedes Jahr zunehme.
Es sei eine rechte Hetzerei. Wenn seine Füße von der ganzen Lauferei nur nicht so
schmerzen würden, klagte der fleißige Wicht. Der Weihnachtsmann hielt inne – er
glaube, eine Lösung zu haben und lies einen leisen Pfiff ertönen. Sogleich bog
das Schwein um die Ecke. Ob es sich vorstellen könne, statt Schlitten zu ziehen
den Schwarzen Wichtel beim Schornsteinfegen zu begleiten?
Die Antwort ist bekannt: Seit diesem Tage sind der kleine Schornsteinfeger und das Schweinchen gemeinsam unterwegs. Welch ein Glück!
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