Mittwoch, Mai 26, 2004

Behaarte Vorurteile fahren gern Bus

Liebe Freunde der EU-Oster weiterung,

Zum Schriftsteller oder zur schreibenden Presse tauge ich wohl kaum, denn ich schaffe es nicht einmal regelmäßig diese wenigen Zeilen über mein wahrlich spannendes Leben in slowakischen Landen zu verfassen.
Höre ich da ein erleichterndes Stöhnen? Kameradensau!
Ich frag mich, wie das andere Leute machen, die sich auf sogenannten Abenteururlauben oder Backpackertrips befinden und fast im Tagesrhythmus darüber berichten, dass sie doch tatsächlich außerhalb ihrers Hotels ein paar Einheimische getroffen haben und mit denen auch noch kulturellen Austausch betrieben: d.h. sich in Thailand in einem McDonalds nen Chickenburger gekauft haben.

Wie dem so sei. Mir geht´s ja genauso.
Ich habe, außer in der Schule, kaum Kontakt zu hiesigen Bevölkerung. Kenne ich doch mittlerweile die französischen Sitten besser als die slowakischen.Und das alles nur, weil ich ständig den Bus verpasse. Denn seit es hier in regelmäßigen Abständen schneit, friert, taut, schneit, friert, steht mein Fahrrad auf dem Balkon und rostet vor sich hin.
Ich hingegen durchquere das Waagtal (das ist der Fluß durch Trencin) per pedes. Allerdings nervt das auch auf die Dauer und macht bei –5 bis –10 Grad kaum noch Spass.
Mitterlweile kann ich beim Spaziergehen nicht mal mehr Musik hören, da der MD-Player nur bis 0 Grad zugelassen ist. Es lebe der Fortschritt. Nur eben ohne Musik.
Lange Rede, kurzer Sinn: Der sog. Globetrotter und Metropolist Bastian Mahler versuchte sein Glück mit dem Trenciner Bussystem und – scheiterte.
Ich habe es tatsächlich in einer Woche zu 6 verpassten Bussen von 6 Versuchen geschafft. Und immer sind mir die Busse, wortwörtlich, vor der Nase weggefahren.
„Hätsch Di halt beeilt!!“ höre ich meine schwäbische Verwandschaft sagen.
Hab ich ja, aber mit der erhöhten Fortbewegung horizontalerweise, wuchs die Geschwindigkeit der Fortbewegung in die Vertikale von 0 auf 100 in Millisekunden, besser gesagt:
SCHWUPPS lag ich auf den Boden, da hier zwar die Strassen, selten aber die Gehwege eisfrei sind.
Doch trotz der anfänglichen Misserfolge ließ ich mich nicht entmutigen.
Ich lernte den Busfahrplan auswendig, stellte meine Uhr gemäß der Atomuhrzeit, hatte immer ausreichend Kleingeld für den Fall, dass es tatsächlich mal klappen sollte und verbrachte so meine letzten drei Wochen.
Mit sehr schönen Spaziergängen.

Letztendlich habe ich es dann doch geschafft. Ich bin Bus gefahren. Oh, ja ICH BIN BUS GEFAHREN. Ihr wißt gar nicht, was für ein großartiges Gefühl das ist, wenn die Landschaft an einem vorbeizischt, die Fußgänger kleiner und kleiner werden und die sonst kilometerweit Strecke in Minutenbruchteilen zurückgelegt wird.
OH, JA! Ich BIN BUSGEFAHREN.
Und irgendwie war ich auch der einzige in diesem Bus während des Feierabendverkehrs, der sich darüber gefreut hat. Ich stand in diesem total überfüllten,stickigen, heißen öffentlichen Verkehrsmittel und habe bis über beide Ohren gegrinst.
Ich war allein mit meinem Grinsen, aber glücklich und vor allen Dingen IM Bus.


Eigentlich wollte ich jetzt noch kurz auf eine andere Geschichte eingehen, aber dann wird das hier wieder so lang und ich bin ja eh froh, wenn ihr es so weit gelesen habt.
Aber behaarte Beine sind ein echter Vorteil.
Und zwar für die Völkerverständigung.
Ich saß mit den Franzosen und zwei Slowakinnen in einem Kaffee und irgendwie, fragt nicht wie, schließlich saßen drei Frauen am Tisch, kamen wir auf das Thema „unrasierte Beine“. Dabei stellte sich heraus: Die Amerikaner denken die Französinnen hätten unrasierte Beine und Achselhöhlen, die Franzosen wiederrum unterstellen dies den Slowakinnen und diese ekeln sich vor den angeblichen kuschelig weichen Beinen der Deutschen. Es gab darauf hin eine heiße Diskussion, die zugunsten aller Beteiligten und Beschuldigten (außer den Amerikanern, die ja bekanntlich an allem Schuld sind...) ausging und es wurde wiedereinmal gezeigt, dass die Völkerverständigung an solchen Vorurteilen nur wachsen kann. So also noch zu diesem.

Mit freudigen Grinsen auf meinen Bus mache ich mich jetzt auf den Weg in die Saukälte, denkt an mich, wenn ihr das nächste Mal öffentliche Verkehrsmittel benutzt,
Grüße Basti

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