Mittwoch, Oktober 27, 2004

U-Bahnfahrtengedankengänge

Ich gehöre noch zu den Menschen, die einen Walkman, also ein tragbares Kassettenabspielgerät mit Kopfhörern, nicht nur besitzen, sondern auch noch benutzen.
Traditionalist! höre ich die einen Schimpfen.
Ein Vorbild, würde mich die stark angeschlagene Musikindustrie nennen.
Was genau ich bin, außer ein Student, der einfach zu faul ist, seinen Computer aufzurüsten und sich einen handlichen mp3-Player zu kaufen, überlege ich mir immer wieder, wenn ich mit meinen leiernden Kassetten durch die U-Bahnröhren der bayrischen Metropole rausche und dabei versuche während der Fahrt irgendwas in der Dunkelheit zu erkennen.
Warum haben U-Bahnen eigentlich Fenster? Wegen der Aussicht?
Warum werden statt diesen nicht Plasma-Flachbildschirme eingesetzt, die Kühe beim grasen, Bayern beim trinken und Wolfsburger beim verlieren zeigen?
Fragen über Fragen...alles bei der Fahrt mit der U1 zwischen Rot-Kreuz-Platz bis St. Quirin Platz.
Manchmal bestimmt aber auch die Musik die Stimmung und was dabei rauskommt, könnt ihr jetzt im folgenden lesen. Ein nicht ganz klassischer Post auf meinen Blogspot.


Leben und Sterben wie ein Toastbrot im Regen
Kettcar, Landungsbrücken raus

Frei! Ja, frei! Gleich sollte er es sein. Die Umklammerung, den Käfig, die Enge verlassen haben. Frei von Zwang und Enge. Wieder leben, wie kurz nach der Geburt. Aufatmen, Luft atmen, unverbraucht und rein. Sonne spüren können in jeder Pore.
Freiheit.
Fast hatte er es geschafft. Halb war er aus der Umklammerung gelöst. Schon streifte ihn ein kühler Wind. Aber ganz war es noch nicht vollbracht. Er fühlte die Umklammerung wie sie wieder enger wurde, je mehr er sich der Freiheit näherte. Dabei war er ihr bereits so nahe. Seine Ohren. Die Taubheit war verflogen. Die Geräusche seiner Umwelt waren auf einmal klar und deutlich. Die fahrenden Autos, die Schritte der Menschen auf der Straße und er mitten drin. Mittendrin und frei.
Endlich. Er hatte sich endlich restlos befreit. War nun allein und unbeschwert dort, wo das Leben tobte. Stand mitten auf der Straße oder vielmehr auf einem Radweg. Er fühlte seinen Körper befreit von der Last der Enge. Weitete, richtete sich auf und erkannte das Gefühl wieder. Freiheit. Es war schön. Einmal hatte er es schon gefühlt. Kurz nach seinem ersten Atemzug, als er die Welt noch als seine eigene Welt kannte. Er blickt sich um. Begann die Kühle des Asphalts zu spüren. Nackt war er. Wie der Asphalt, aber auch frei. Neben ihm lag ein Stück Papier. Ein Einkaufszettel. Daneben ein Apfel.
Es fing an zu regnen. Sein erster Regen seit langem, seit erster Regen überhaupt. Leise nieselte es und er sah wie die Schrift des Einkaufszettels langsam verschwamm. Auf dem Apfel perlten die Tropfen ab, hin und wieder bekam auch er einen Spritzer ab. Er wandte den Blick. Um ihn herum lagen verstreut Bananen, aufgeplatzte Nudelpackungen, Brokkoli, Salatköpfe, ein Tetrapack, aus dem langsam die Milch sickerte. Ein Fahrrad lag über alldem auf dem Asphalt. Der Regen wurde stärker.
Er merkte wie er müde wurde. Sein Körper wurde schlaff. Er sackte zusammen, erschöpft von seinem Drang nach Freiheit, aus der Dunkelheit heraus, aus der Enge, legte er sich auf den kalten, nassen Boden. Das Wasser drang durch ihn durch. Langsam entwich ihm die letzte Kraft. Regungslos lag er da. Aus der Ferne sah er blinkende, blaue Lichter auf ihn zukommen. Sirenen hallten. Menschen riefen. Hektik. Er allein, blieb still. Die Lichter kamen näher.
Der Rettungswagen hielt direkt neben ihm auf dem Radweg. Er versucht sich noch einmal aufzuraffen und fort zu kriechen, aber er war zu schwach. Die Tür öffnete sich. Ein Sanitär sprang heraus. Er war tot.

„Komm! Da drüben liegt er!“, rief ein anderer.
„Komm ja schon! Aber, wäh! Bin grad in n Scheibe Toastbrot getreten. Hab jetzt den ganzen Brei am Schuh“
„Jetzt komm, da drüben siehts nicht gut aus. Der ist schon völlig durchnässt!“
Der Sanitäter streifte die aufgeweichte Brotscheibe, die sich aus der Plastikhülle befreit hatte, von der Sohle, kickte mit einem leichten Tritt den Rest der aufgeplatzten Packung American Toast in die Büsche und machte sich an die Arbeit.

Samstag, September 25, 2004

Frnakriceh

Was einen sehr wundern sollte, wenn man durch Frankreich reist - dass man sich dort tatsächlich auch in anderen Sprachen als Französisch verständigen kann. Vielmehr sogar, dass die Einheimischen nämlich, wir nennen sie ja im allgemeinen Franzosen, einen Fremden, der herumirrend um Hilfe sucht, mit einem freundlichen Lächeln fragen, was denn das Problem sei und do you need some help? QUI, YES, JA! Hilfe, äh help, yeah!
Nahezu unglaublich, aber man kann heutzutage mit geringsten bis gar keinen Französischkenntnissen in der Grand Nation überleben.
Frankreich ist also im Zeitalter der Globalisierung, äh ich meine mondelisation, angekommen. Und ich bin sehr dankbar darüber.

Würde ich meinen Text nun an dieser Stelle abrechen oder auf diese Weise fortfahren, gehörte ich wohl zu diesen klassischen ich-liebe-Frankreich-wegen-der-Kultur-dem-Wein-der-Sonne-und-überhaupt-Leuten. Als zukünftiger Lehrer wäre das ja auch nicht so falsch. Nach der Verbeamtung kommt ja schließlich das Eigenheim, der Familienwagen, dann die zwei Kinder und schließlich der Urlaub an den französischen Küsten.
Aber ist Frankreich, ganz Frankreich, tatsächlich im heutigen Zeitalter angekommen? Nein, eine kleine Gruppe von Jugendherbergen im Süden Galliens leistet erbitterten Widerstand gegen Komfort, Kundenorientierung (also Freundlichkeit), Hygiene und ernährungsbewusste Verpflegung.
Im Osten Europas kann man solche Zustände wenigstens immer noch auf 40 Jahre Sozialismus schieben, aber in Frankreich? Ist Intimsphäre kein Menschrecht? Riefen die Revolutionäre damals nicht libertè, egalité, fraternité und intimité (also Türen für alle Toiletten und Duschen)? Ist l´eau tatsächlich nur zum Trinken da? Man darf es tatsächlich nicht zur Reinigung diverser Toiletten- und Waschbereiche nutzen?
Es überkommt einen der Eindruck, dass die Revolution damals nicht nur ihre Kinder, sondern auch das gesamte Putzpersonal mitgefressen hat.
Wenigstens sind die Preise für den Service im Jahre 3 nach dem Euro angekommen. Sonst wär ja auch gar nichts wie zu Hause, wenn man nicht mal über die Preise motzen könnte.
Aber motzen bringt einen bekanntlich nicht weiter.
Wie bitte?! Motzen bringt einen nicht weiter, fragt ihr.
Oh, verzeiht, ich habe vergessen, dass ich wieder in Deutschland bin und man hier das Motzen sozusagen in die Wiege gelegt bekommen hat. Oder etwa nicht? Das erste was deutsche Babys von sich geben ist ja schließlich ein Schrei. Eine Beschwerde. Sie motzen kaum das sie atmen können. Dennoch, Motzen bringt einen nicht weiter! Was wiederum das Baby beweist, denn egal wie viel es schreit, man steckt es nicht mehr dahin zurück, wo es her kam.
In französischen Jugendherbergen hilft es also auch nicht und daher sollte man sich, wenn man sich schon im Hygienezustand des 18. Jahrhunderts befindet, die Prinzipien der Revolution zu eigen machen.
1. Liberté: Freiheit. Jede Nacht geht einmal zu Ende und dann kann man schließlich wieder sein Zeug packen – und raus. In die nächste Herberge, die dann sicher besser sein wird. Hoffentlich.

2. Egalité: Gleichheit. Allen geht es hier gleich schlecht. Auch den französischen Gästen. Hey, aber denen fällt das gar nicht auf mit der Hygiene. Na dann ist es auch egal-ite.

3. Fraternité: Brüderlichkeit. Was man hat, soll man brüderlich teilen. Im Allgemeinen ist dieser Satz ja ein Widerspruch in sich, wenn man davon ausgeht, dass brüderlich teilen, fair teilen, gerecht teilen bedeuten soll. Wer ist mit einem Bruder aufgewachsen? Na also!

Brüderlichkeit in Jugendherbergen heißt also: alles für mich und zwar so schnell als möglich, am besten sofort.
Ziel ist es das Preisleistungsverhältnis wiederherzustellen. Wenn man also schon viel zu viel für viel zu schlechtes bezahlen muss, dann will man wenigstens viel von dem Schlechten abbekommen, in der Hoffnung, dass somit alles vielleicht ein bisschen besser wird.
Konkretes Beispiel: Die Höhe der Jugendherbergspreise lassen vermuten, dass man auf dem Toilette Klopapier vorfindet. Tut man aber nicht. Zum Glück bin ich vor einem halben Jahr von Stoff- auf Papiertaschentücher umgestiegen. Allerdings muss dieser Mangel an Service ausgeglichen werden, schließlich habe ich gezahlt und darum bleib ich länger auf dem Topf. Und zwar richtig lang. Mindestens so lange, bis ich das Geld wieder reingeholt hab. Die Übernachtung kostet 12 Euro irgendwas ohne Frühstück (und Klopapier). Studentische Hilfskräfte verdienen knapp 7 Euro die Stunde. Der Rest ist Kopfrechenarbeit und eine Frage des Sitzfleischs.
Die Schlange vor dem Klo, warum sollte so eine Unterkunft auch mehrere funktionierende WCs besitzen, wird länger und länger, die Leute lauter und lauter. Was aber ganz angenehm ist, denn man sitzt dann nicht mehr so alleine da und man kann nebenher auch noch französische und englische Fäkalausdrücke lernen. Wenn nicht auf dem Klo, wo sonst.
Es lebe die Brüderlichkeit!
A propos, wer hat denn eigentlich mal fest gelegt, dass Brüder mit Brüdern und Schwestern mit Schwestern in einem Massenlager zusammen die Nacht verbringen müssen. Wieso sind in unserem aufgeklärten Zeitalter die Schlafsäle immer noch nach Geschlechtern getrennt, vor allen Dingen in einem Land wie Frankreich, wo am Kiosk die neuesten Pornofilme beworben werden wie bei uns Eiscreme und Zigaretten? Warum trennt man in dieser Welt die Frauen von den Männern und nicht die Schnarcher von den Nicht- Schnarchern? Das würde mein Leben um vieles bereichern. Zu mindest um Schlaf.

Manchmal, wenn ich viel Zeit habe, z.b. auf französischen Jugendherbergstoiletten, denk ich mir, Mensch, jetzt wirste alt.
Ich will Papier auf m Klo. Keine aufgewärmten Pommes vom Vortag mit Ei als Abendessen serviert bekommen und dafür auch noch 8 Euro zahlen müssen. Nachts schlafen. Keine Visa-Karte besitzen müssen. Ach ja.., früher, da war alles.. .
Wieso die Visa-Karte?
Weil französische Jugendherbergen im Informationszeitalter angekommen sind. Altmodische Dinge, wie telefonische Reservierungen gibt es nicht mehr. Email? Veraltet. Wer in ein Zimmer möchte, brauch einen Internetanschluss, die Geheim-Website und eine gültige Visa-Karte. Nur dann kann man sich sicher sein, dass man auch eine Schlafmöglichkeit bekommt. Also fast sicher.
Allerdings frage ich mich, wie viel unter 25-jährige eine Visa-Karte besitzen. Vor allen Dingen, diese Karte mit auf den Rucksackreiseurlaub mitnehmen? Wahrscheinlich alle – außer mir.
Ich werde wohl doch alt...
Ah ja, per Fax geht auch noch. Man kann sich dann zu Hause also schon entscheiden, ob man lieber das Faxgerät oder den Schlafsack in die Reisetasche packt.

Urlaub in Frankreich ist eine schöne Sache. Da hat man Sonne und danach wenigstens auch was zu erzählen. Nicht so wie in den langweiligen deutschen Jugendherbergen, wo alles perfekt ist.
Äh, Moment mal, hab ich schon von dem Erlebnis in der Passauer Juhe erzählt?
Also,...


Dienstag, Juni 29, 2004

Moderne Wegelagerer- oder wie komme ich von A nach B über C, D, E und F

Das Wetter ist hervorragend. Nein, nicht die Wetterlage, zumindest nicht die in München. Die Wetterlage in der bayrischen Landeshauptstadt ist immer noch miserabel. Das ist wohl ein Zustand für den die CSU ausnahmsweise nichts kann.
Oder etwa doch? Schließlich bringen ausschließlich schwarze Wolken schlechtes Wetter.
Nichtsdestotrotz das Wetter ist hervorragend geeignet als Gesprächseinstieg. Sowie zum Beispiel zu diesem hier.
Und je besser das Wetter, also dessen Lage, desto besser die Laune der Betroffenen und somit der Einstieg in ein Gespräch. Das ist gut so.
Eigentlich. In jeder Gesellschaftsform. Nur nicht in der unseren postindustriellen von Dienstleistungen verseuchten westlichen Gesellschaft.
Hier tauchen urplötzlich unbekannte Gefahren auf.
Denn sobald die Wetterlage sich bessert, begibt man sich gut gelaunt auf die Straße. Klar, man ist dort leider nicht allein, denn die Straßen sind voll mit Menschen.
Wenn es jedoch nur das wäre: Menschen.
Im Laufe der Jahrhunderte haben wir uns ja an sie gewöhnt. An die anderen Menschen. Menschen auf der Straße sind an sich kein Problem.
Aber, wir sind nicht allein.
Sie sind mitten unter uns!
Wer?
Die Promoter!
Kreaturen in knallbunten, körperbetonten Kleidern oder in unscheinbarer, bürgerlichen Tarnanzügen, aber immer mit diesem unmenschlichen, hybriden Lächeln im Gesicht und einer Freundlichkeit, die gespritzt, gedopt, eingeschmissen, oder was auch immer, aber auf keinen Fall natürlich ist.
Menschen auf der Straße sind, auch bei Sonnenschein, allerhöchstens freundlich unhöflich. Nie aber mehr. Selbst bei schönstem Wetter raunzen Menschen zurück, wenn man schüchtern nach dem Weg fragt, motzen, wenn man sie aus Versehen anrempelt.
Promoter lächeln. Egal, was man macht oder sagt. Auch wenn man ihnen ins Gesicht schlägt. Mit ihren verbliebenen schneeweißen Zähnen werfen sie uns dann aus dem blutüberströmten Geicht weiterhin ihr debiles Lächeln entgegen. Ihr Lebenszweck ist Lächeln.
Sind Promoter daher vielleicht sogar die besseren Wesen?
Die nächste Stufe auf der Evolutionsleiter?
Nein! Sie sind grausam. Während wir ihnen nur ihre Gesundheit nehmen können, nehmen sie uns alles. Das wichtigste. Etwas was uns keiner mehr wieder geben kann. Was für immer und ewig verloren bleibt, wenn man es einmal gebraucht hat.
Promoter stehlen uns unsere ZEIT!
Sie halten uns auf. Mitten in unsere Leben. Reißen uns raus aus unseren Plänen und Träumen; bringen uns von unsere Wegen und Zielen ab.
Für was?
Für Dinge, die wir nicht brauchen. Für Dinge, die man, nachdem sie erfunden worden sind, erst noch einen Zweck dazu erfinden musste.

Warum ich mich eigentlich so darüber aufrege?

Weil ich immer auf sie reinfalle. Ich schaffe es nicht ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich kann es nicht übers Herz bringen NEIN zu sagen, weiter zu gehen, sie mit ihrem scheußlichen Lächeln stehen zu lassen.
Nein, so grausam kann ich nicht sein. Aber genau dafür hasse ich sie! Sie nutzen mich aus, verführen mich, machen aus mir einen Konsumjunkie.
Aber noch bin ich ihnen nicht ganz verfallen. Noch kann ich etwas selbständig denken und weil ich mir über diesen Missstand bewusst bin, versuche ich ihnen auszuweichen.
Versuche ihnen aus dem Weg zu gehen, selbst wenn das für mich bedeuten mag viel befahrene Straßen, wie den Mittleren Ring, während der Stoßzeit unter Lebensgefahr zu überqueren oder auf der Rolltreppe kehrt zu machen, alte Frauen aus dem Weg zu stoßen und mit der U-Bahn minedstens zwei Stationen weiterzufahren, in der Hoffung der Promoterbrut am dortigen Ausstieg nicht zu begegnen zu müssen oder mich über Hinterhöfe, Rosengärten und Seitengassen zur Uni durchzuschlagen.
Kein Weg ist mir zu weit, zu schwierig, zu umständlich um diesen lächelnden, herzlosen Wesen zu entkommen.
Ich soll einfach nicht an ihnen vorbei gehen und ihnen ein eiskaltes NEIN entgegenschleudern und weitergehen?
Hab ich versucht, aber ich entkomme ihren Bann nicht. Ich schaffe es nicht.

Promoter:Hallo (lächel) haben (lächel) Sie (lächel, der Typ ist so alt wie ich und Siezt mich!)einen (lächel) kurzen (lächel) Moment (lächel) ZEIT (dreifachlächel)

Opfer (also ich): äh, nei...

Promoter: Neitürlich (lächel), also…

Und dann ist es vorbei.

Ich stehe da, gefangen mitten unter Menschen, die das wundervollen Wetter genießen und gutgelaunt sind, weil ich in den Fängen dieses Promoters bin und sie unbehelligt weiterziehen könne. Manch einer schenkt mit beim Vorübergehen ein bemitleidendes Lächeln (!) und spaziert weiter.
Ich aber stehe da, probiere ohne nachzudenken, den mir angebotenen Joghurt, behaupte mechanisch er schmecke gut, rauche 3, 4 Zigaretten einer mir als absoluter Nichtraucher unbekannten Marke, huste, röchel, unterdrücke den Würgereiz, gebe an 8mal die Wochen in jedem In-Schuppen der Stadt abzutanzen, hunderte von Euro meines Bafögs am Tresen liegen lassen, ich aber dennoch gerne den Newsletter dieser neuen Disco abonnieren möchte, genauso wie ein zweites Mal die SZ, und auch die FAZ, die Bunte und die Bild am Sonntag und höre dabei wie der Sand meiner Lebensuhr unaufhörlich sanft und gnadenlos nach unten rieselt.
Während ich den Vertrag für die Lebensversicherung unterschreibe fühle ich wie sich der Tod schon langsam an mich heranschleicht. Er lächelt im Übrigen.
Promoter sind Mörder.

Aber ich gebe den Kampf nicht auf!
Leider gelingt es mir, trotz größter Aufmerksamkeit, nicht immer diesen Wegelagerern erfolgreich aus zu weichen. Zum Teil positionieren sie so strategisch geschickt, dass man keine menschenmögliche Chance hat an ihnen vorbei kommt. Darum musste mir, wollte ich nicht all meine Lebenszeit und Finanzen an sie verlieren, eine neue Strategie entwickeln. Die so genannte Hab-ich-schon-danke-brauch-ich-nicht-mehr Strategie. Allerdings erforderte dieser Plan eine umfassendere Vorbereitung: Nächtelang durchforstet ich das Internet um wirklich jedes Produkt dieser Erde aufzuspüren, dass möglicherweise promotet werden könnte. Von allem machte ich mir eine originalgetreue Kopie. So habe ich nun immer bei mir, u.a. eine SZ, FAZ, ZEIT, BILD, eine Auto-Lebens-Haftpflichtversicherung, eine Kreditkarte von jedem namenhaften Bankinstitut der EU, Zigarettenschachteln, Bahnkarten, etc.
Und?
Es klappt!
Seitdem ich das mache, erspare ich mir viele Umwege.
Keine verschrammten Knie vom über die Hecke klettern, o.ä.
Ich entkomme den Promotern. Ich leben wieder. Ich bin frei!!

Allerdings ist es leider sehr umständlich täglich mit einem Trekkingrucksack voller Dinge U-Bahn zu fahren und schafft man es dann nicht rechtzeitig den richtigen Artikel aus der Tasche zu kramen, ist alles umsonst.
Sie kriegen einen doch.
Und dann hat man statt einer zwei Monate alten SZ, die der Tarnung diente, eine aktuelle in der Hand. Plus die Rechnung fürs dritte Studentenabo.

Donnerstag, Juni 03, 2004

Bonn – die Haupt, öh, Stadt Deutschlands

Wir schreiben den Wonnemonat Mai 2004 und während wir das schreiben, streichen wir gleich mal wieder das Wonne im Monat und fragen uns, warum es in aller Welt überhaupt noch die Bezeichnungen Frühling, Sommer, Herbst und Winter gibt. Es hält sich eh keiner mehr dran. Frostgefahr im Mai passt nicht so ganz in die lexikalische Definition von Wonnemonat!
Mir scheint, dass sich Mutter Natur momentan in einem Entbürokratisierungsprozess befindet und sich dabei alle Freiheit nimmt winterliche Wettererscheinungen in den Sommer zu stecken und andersherum.
Bonn.
Wie komme ich jetzt darauf?
Ich war da.
Und?
Ja, im Mai halt! 2004.
Und so wie der Mai kein Wonnemonat war, so ist Bonn auch keine BundeshauptSTADT.
Das wusstet ihr schon?
Ich nicht.
Zumindest mit der sogenannten Stadt. Das mit dem Bundeshaupt hat sich ja zur Hälfte schon erledigt.
Denn ich war jetzt zum ersten Mal in Bonn und beeindruckt.
In dieser Stadt soll sich tatsächlich mal ein Kanzler namens Helmut Kohl bewegt haben.
Wie? Ist doch gar kein Platz. Ich verstehe mittlerweile warum der unbedingt nach Berlin und auch warum er nochmals gewählt werden wollte.
Wobei das letztere ja bekanntlich keine gute Idee war, und ob ersteres besser ist wird nicht nur in finanzpolitischen Kreisen bezweifelt. Wie überhaupt die ganze Geschichte mit der Mauer.
Blühende Landschaften gibt es zumindest in Bonn. Kneipenlandschaften. Einer der angesagtesten Bonner Landschaftsgärtner ist ein gewisser T.P. aus B. (odelshausen) Der nämlich zeigte mir bei meinem Besuch eine besondere Blüte dieser Landschaft, die Lilie des Nachtlebens sozusagen: das Blow up. Diese Kneipe ist cool (Punkt) Nicht weil es ein ehemaliges Puff ist, in dem wahrscheinlich zu Bundeshauptstadtzeiten bayrische Exilpolitiker der Einen Partei praktische Erfahrungen in sozialen Brennpunkten sammelten, sondern weil es einfach cool ist (Punkt) Allerdings nicht in allen Punkten, denn wenn man als Wahlmünchner dem Wahlbonner ein landesspezifischen Gastgeschenk mitbringt, das aus Weißwurst, Brezn und Augustiner besteht. Dann ist man schon etwas angesäuert, wenn ausgerechnet der coole Laden neben Beck´s, Heineken auch noch Augustiner führt! Gastgeschenk kaputt, der Laden aber cool.
Aber nicht nur dieser Schikane sah ich mich als Wahlmünchner ausgesetzt.
Was haben die Menschen in Deutschland, die nicht in den Südstaaten leben, gegen Bayern?
Warum muss ich oberhalb des Weißwurstäquators ständig Partei für die Freistaatler ergreifen?
Kann ich was für Edmund Stoiber, den FC Bayern oder das Oktoberfest?

Jedes Mal muss ich mir das anhören, verteidigen (ja, sogar den FC), einschreiten, richtig stellen, obwohl ich kein Bayer bin!
Die Notbremse ist dann immer:
Ich komm ja gar nicht aus München, ich komm bei Tübingen.
(Schweigen und dann:) Haha haha, prust, gröl, haha! Ein Schwabe, hihi, ach der VFB, gell und schaffe, schaffe...
Und schon geht´s weiter. Jetzt lästert man über die Schwaben...
Sind wir denn nicht nur intelligenter und erfolgreicher als der Rest Deutschlands, sondern haben wir auch noch mehr Anstand?
Ich weiß es nicht.

Aber ansonsten ist Bonn schön.
Ich habe mir, als zukünftiger Lehrer natürlich die Stadt angeschaut. Das teils ehemalige Regierungsviertel, die Kunsthallen (von außen), das Propagandahauptquartier der deutschen Demokratie (Haus der Geschichte), etc.
Dabei ist mir aufgefallen:
Bonn hat die unerotischsten U-Bahnhaltestellen Deutschlands!

Wie soll es einem denn Spaß machen an diesen Stellen auszusteigen?

Deutsche Telekom
Hauptbahnhof Gleis 1
Wurzerstraße
Sürth

In Berlin hört sich das wenigstens nach was an, wenn man so durch den Untergrund rauscht. Unter den Linden, Potsdamer Platz, Zoologischer Garten, Alexanderplatz

Es ist eine Beleidigung für die Ohren. Diese U-Bahnstationen in Bonn. Eigentlich sollte man dort aus Protest nur noch schwarz fahren. Denn für was zahlt man denn? Für Bundesrechnungshof/ A. Amt?

München dagegen hat ja wohlklingende Namen. Aber wenn die weiterhin solche Preise für den MVV verlangen, möchte ich auch hier eine Namensänderung anmahnen. So dass das Verhältnis wieder stimmt: z.B. El Dorado, Fort Knox,
oder für die Poccistraße (wo die MVG sitzt) Ali Babas Räuberhöhle.

Aber trotz diesem Mangel an Erotik ist Bonn ein schönes Städtchen zu besichtigen. Vielleicht wird es ja auch mal eine richtige Stadt.

Mittwoch, Mai 26, 2004

Be careful what you wish for. You might get it.

Hallo,

frei übersetzt heißt das im Betreff: Streckt man ihm den kleinen Finger hin, reißt er gleich am ganzen Arm (sehr frei).

D.h. nachdem wirklich eine ganze Zahl an Leuten sich für meine Mails bedankt (was mich sehr gefreut hat) und mir glaubhaft vermittelt haben, dass sie ihnen gefallen, dachte ich mir, nu gut, probierst es halt weiter. Ganz gegen den Rat meiner Mutter, aufzuhören wenn es am Schönsten ist.
Tja, man wird ja schließlich irgendwann Erwachsen. Man hört dann also mit Absicht nicht auf gute Ratschläge, weil man es ja schon alles besser weiß, nur um sich danach um so mehr zu ärgern. Was einem darauf wiederum ein Gefühl von Selbsterfahrung gibt.
Leiden ist ab 25 am Schönsten.

Also ich bin zurück in München und schreib von hier. Die alte Regel gilt, wen es nervt einfach Mail an mich und ich schicke keine Mail mehr (Nie mehr! Ha, wenn´s Euch nicht gefällt, dann halt nicht. Ganz oder gar nicht!! ;)

Mittlerweile sind es fast zwei Monate, die ich wieder in der bayrischen Metropole an der Isar verweile und -es geht mir gut. Die Zeit davor in der Slowakei scheint schon Ewigkeiten zurück zuliegen. Dort liegen geblieben scheinen auch meine guten Gewohnheiten.

Z.B. die Pünktlichkeit: Ich war in sechs Monaten Slowakei zweimal unpünktlich. Na, gut dreimal. Der letzte Schultag zählt auch noch. Wobei ich dieses letzte Zuspätkommen eher als den Auftakt zu der jetzigen Serie in München sehe.
Hier habe ich es in sechs Wochen nur einmal(!) geschafft pünktlich zu sein. Und das auch nur, weil der andere zu spät dran war.
Woran das liegt?
Nun, wenn es jemand wissen sollte, ich freue mich sehr über eine Antwort, denn ich habe selbst bis jetzt keine gefunden.

Es wundert mich schon wie man zu Vorlesungen zu spät kommen kann, die erst um 11 Uhr Vormittag beginnen. Also eigentlich Viertel nach 11, ein Zuspätkommen ist schon mit eingerechnet. Und trotzdem komme ich nicht pünktlich.
Warum? (Verzweiflung!)
Meine Wecker (3 an der Zahl) funktionieren.
Kaffee ist auch schon fertig, wenn ich in die Küche komme.
Das Bad ist frei, die U-Bahn pünktlich, der Weg zur Uni bekannt.
Dennoch zehn Minuten zu spät. Mindestens.(Eigentlich sind es ja schon mehr, aber meine Eltern bekommen diese Mail ja auch, und ich höre jetzt schon Sätze wie Junge, so geht das doch nicht..., Kannst Du nicht ....;)
Leider wollen die Professoren meist nicht auf mein Angebot eingehen die zehn verpassten Minuten hintendran zu hängen. So bleibe ich nach der Veranstaltung ganz allein im Seminarraum und versuche - in mich gekehrt, mit regelmäßigen Atem, geschlossenen Augen und leichten Schnarchgeräuschen (schließlich ist Zuspätkommen immens anstrengend. Man hat ja trotzdem nicht ausgeschlafen.)- mein schlechtes Gewissen zu beruhigen.
Leider ist diese Beruhigung nur von kurzer Dauer, denn eben durch meine Bußzeit, die sich meist auf eine Viertelstunde verlängert, um tatsächlich schuldfrei zu werden, schaffe ich es nicht mehr rechtzeitig in das darauffolgende Seminar.
Ein Teufelskreis.

Ich fühle mich ein wenig wie damals Heinz Harald Frentzen in der Formel 1. Kaum habe ich nachdem Startsignal die Linie überquert, überrundet mich auch schon der Schumacher Michael das erste Mal.
Das Leben ist hart und ungerecht.

Aber zum „Glück“ gibt es in München die schönsten, ebensten Gehwege der Republik, so dass ich ohne größere Komplikationen auf dem Weg in die nächste Vorlesung mir darüber Gedanken machen kann, warum ich eigentlich heute den ganzen Tag zu spät komme.
Sogar zu spät ins Bett.

Bis SPÄTer,

Grüße Basti

Som Nemec heißt Ich bin Deutscher oder Ich bin stumm.

Hallo Du-Ihr-Sie,

Manchmal ist es doch schön herauszufinden, woher Wörter stammen. Deutscher heißt auf Slowakisch z.B. „Nemec“. Was gleichbedeutend mit „stumm“ ist. Unser „dumm“ kommt von mhdt. „tumb“, was wiederum auch „stumm“ bedeutet. Wenn man nun Aussage A) mit Aussage B) verbindet,...
Aber zu Dummen soll man bekanntlich freundlich sein, was die Slowaken zweifelsfrei die letzte sechs Monate getan haben. Zu mir waren sie immer sehr nett. „Som Nemec“ Ich bin Deutscher oder ... .
Immer? Herr Mahler und seine Weltschönfärberei (Aber Dumme leben eben einfach glücklicher).
Na, gut, nicht immer waren sie nett zu mir. Eigentlich werden Slowaken nämlich stets dann unfreundlich, wenn sie Geld von einem bekommen können. Bedienungen, Verkäuferinnen, Bahnschalterbedienstete, Busfahrer, usw.
Möchte man z.B. einen Kaffee(den man dann durchaus zu bezahlen beabsichtigt), wird man von der Bedienung nur angeraunzt.
Fragt man hingegen die selbe Person nach dem Weg, lächelt sie, ist freundlich und würde einen am liebsten noch mit ans Ziel begleiten, wenn nicht schon wieder so ein verdammter Ar... von Gast einen Kaffee bestellen würde.
Verkehrte Welt.

Wenn man nun sechs Monate in einem Land gelebt hat, dann fängt man an Dinge zu hassen und zu lieben.
Was hasse ich also nach dieser Zeit an der Slowakei?
Den Wasserdruck!
Es gibt ihn einfach nicht. Für einen Spülgang auf der Toilette braucht man mindestens drei Versuche und viel Hoffnung. Zudem gewöhnt man es sich sehr schnell ab Mais zu essen. Es könnte ja mal Besuch vorbeikommen -dann kann man ja drei Tage vorher nicht aufs Klo gehen.
Eigentlich müssten die Slowaken viel mehr Weltphilosophen zu Tage gebracht haben, denn wenn man sich hier Wasser in ein Glas füllen will, hat man Zeit-viel Zeit-sehr viel Zeit zum Nachdenken.
Erstens dreht man den Hahn auf. Gelangt man schließlich an den Anschlag, freut man sich zunächst. Voller Euphorie schaut man empor, erblickt den Schrank, hebt den Arm, greift mit seiner Hand an die Schranktür und öffnet sie ohne Hast. Darauf nimmt man das Glas und hält es unter den Hahn, und während man noch versucht die anfängliche Euphorie zu halten, staunt man, wie langsam doch Wasser aus der Leitung kommen kann.
Was ich bei einem Kater und den darauffolgenden Brand schon alles für große Fragen klären konnte!
Hätte ich damals nicht so ein elendes Kopfweh gehabt und alles aufgeschrieben -die Welt wäre heute eine bessere.

Was ich aber an der Slowakei liebe?
Die Plattenbauten! Sie sind geräusch-, duft- und luftdurchlässig. Selbst wenn ich alle Fenster und Türen geschlossen habe, einen Drachen steigen zu lassen wäre immer noch möglich. Vorausgesetzt er ist sturmfest. Das schönste ist aber, wenn meine Nachbarn über mir das Mittagessen zu bereiten. Dann riecht es in meiner Wohnung ebenfalls danach. Aber nicht irgendwo riecht es nach Schnitzel, Suppe oder Eintopf. Nein, ausgerechnet auf meinem Klo. Also wenn das eine geht, kriegt man schon wieder Lust auf was neues. Allerdings stellt sich die Frage, wenn ich das von oben riechen kann, können die dann riechen, was von unten kommt? Die Spülung will einfach nicht funktionieren... .
Auch wenn man hier allein in der Wohnung lebt, hat man doch nie das Gefühl verlassen zu sein. Förmlich jedes Geräusch, jeder Schritt, jedes Telefonklingeln, jede Rammsteinsymphonie und jedes Tellerklappern hört man als säße man daneben. Der Wohnungsbau des Sozialismus hatte eben so etwas verdammt menschliches.
Und auch im beim Straßenbau können die Deutschen noch etwas von den Slowaken lernen. Warum kommt denn Deutschland nicht aus der Krise raus? Weil unserer Gehwege zu perfekt sind. Keine Löcher, keine Spalten, keine Risse- nichts!
Wenn der Deutsche spazieren geht, dann muss er nicht auf den Weg achten. Er hat also genug Zeit zum nachdenken. Nachdenken worüber er sich als nächstes beschweren könnte, worüber er noch jaulen könnte, was alles schlecht ist und warum er sich jetzt kein Zweit-DVD-Spieler leisten kann.
Müsste er aber über eine Kraterlandschaft balancieren nur um annährend ohne gebrochene Gliedmaßen ans Ziel zu kommen, würde er sich zwingen Lösungen für die schlechten Zustände zu finden und nicht mehr über die Krise jaulen, sondern sie beseitigen.
Schlagt Löcher in die Gehwege und Deutschland geht es besser!
-Großartiger Gedanke, nicht? Ist mir eines morgens beim Teemachen eingefallen, als ich gerade den Topf (5 Liter) unter den Wasserhahn gehalten habe... .

Wie ihr seht, habe ich das letzte halbe Jahr im Herzen Europas gut genutzt, um das Land, die Leute und den Alltag bis ins kleinste Detail kennen zu lernen. Dabei habe ich wahrscheinlich die wirklich wichtigen und großen Dinge übersehen. Na, ja, ich komme ja mal wieder hierher.
Aber jetzt reicht es erst mal. Ich will wieder studieren, den Sommer in München erleben und viel zu hohe Preise für Bier und Miete bezahlen.
Mal sehen, vielleicht fallen mir in München jetzt ja auch so interessante Dinge auf, wie Wasserdruck, Gehwegszustände, o.ä.
Alle, die bis hierhin gelesen habe, hoffe ich bald wiederzusehen. Die anderen bekommen diesbezüglich eben keine Warnung vorausgeschickt.

Dovidenia und auf Wiedersehen aus Trencin,Slowakei,

Bastian

P.S.: Heute hatte ich meinen letzten Tag in der Schule und ich habe es tatsächlich geschafft zu verschlafen. Ich bin wieder ganz der Alte. ;)


Behaarte Vorurteile fahren gern Bus

Liebe Freunde der EU-Oster weiterung,

Zum Schriftsteller oder zur schreibenden Presse tauge ich wohl kaum, denn ich schaffe es nicht einmal regelmäßig diese wenigen Zeilen über mein wahrlich spannendes Leben in slowakischen Landen zu verfassen.
Höre ich da ein erleichterndes Stöhnen? Kameradensau!
Ich frag mich, wie das andere Leute machen, die sich auf sogenannten Abenteururlauben oder Backpackertrips befinden und fast im Tagesrhythmus darüber berichten, dass sie doch tatsächlich außerhalb ihrers Hotels ein paar Einheimische getroffen haben und mit denen auch noch kulturellen Austausch betrieben: d.h. sich in Thailand in einem McDonalds nen Chickenburger gekauft haben.

Wie dem so sei. Mir geht´s ja genauso.
Ich habe, außer in der Schule, kaum Kontakt zu hiesigen Bevölkerung. Kenne ich doch mittlerweile die französischen Sitten besser als die slowakischen.Und das alles nur, weil ich ständig den Bus verpasse. Denn seit es hier in regelmäßigen Abständen schneit, friert, taut, schneit, friert, steht mein Fahrrad auf dem Balkon und rostet vor sich hin.
Ich hingegen durchquere das Waagtal (das ist der Fluß durch Trencin) per pedes. Allerdings nervt das auch auf die Dauer und macht bei –5 bis –10 Grad kaum noch Spass.
Mitterlweile kann ich beim Spaziergehen nicht mal mehr Musik hören, da der MD-Player nur bis 0 Grad zugelassen ist. Es lebe der Fortschritt. Nur eben ohne Musik.
Lange Rede, kurzer Sinn: Der sog. Globetrotter und Metropolist Bastian Mahler versuchte sein Glück mit dem Trenciner Bussystem und – scheiterte.
Ich habe es tatsächlich in einer Woche zu 6 verpassten Bussen von 6 Versuchen geschafft. Und immer sind mir die Busse, wortwörtlich, vor der Nase weggefahren.
„Hätsch Di halt beeilt!!“ höre ich meine schwäbische Verwandschaft sagen.
Hab ich ja, aber mit der erhöhten Fortbewegung horizontalerweise, wuchs die Geschwindigkeit der Fortbewegung in die Vertikale von 0 auf 100 in Millisekunden, besser gesagt:
SCHWUPPS lag ich auf den Boden, da hier zwar die Strassen, selten aber die Gehwege eisfrei sind.
Doch trotz der anfänglichen Misserfolge ließ ich mich nicht entmutigen.
Ich lernte den Busfahrplan auswendig, stellte meine Uhr gemäß der Atomuhrzeit, hatte immer ausreichend Kleingeld für den Fall, dass es tatsächlich mal klappen sollte und verbrachte so meine letzten drei Wochen.
Mit sehr schönen Spaziergängen.

Letztendlich habe ich es dann doch geschafft. Ich bin Bus gefahren. Oh, ja ICH BIN BUS GEFAHREN. Ihr wißt gar nicht, was für ein großartiges Gefühl das ist, wenn die Landschaft an einem vorbeizischt, die Fußgänger kleiner und kleiner werden und die sonst kilometerweit Strecke in Minutenbruchteilen zurückgelegt wird.
OH, JA! Ich BIN BUSGEFAHREN.
Und irgendwie war ich auch der einzige in diesem Bus während des Feierabendverkehrs, der sich darüber gefreut hat. Ich stand in diesem total überfüllten,stickigen, heißen öffentlichen Verkehrsmittel und habe bis über beide Ohren gegrinst.
Ich war allein mit meinem Grinsen, aber glücklich und vor allen Dingen IM Bus.


Eigentlich wollte ich jetzt noch kurz auf eine andere Geschichte eingehen, aber dann wird das hier wieder so lang und ich bin ja eh froh, wenn ihr es so weit gelesen habt.
Aber behaarte Beine sind ein echter Vorteil.
Und zwar für die Völkerverständigung.
Ich saß mit den Franzosen und zwei Slowakinnen in einem Kaffee und irgendwie, fragt nicht wie, schließlich saßen drei Frauen am Tisch, kamen wir auf das Thema „unrasierte Beine“. Dabei stellte sich heraus: Die Amerikaner denken die Französinnen hätten unrasierte Beine und Achselhöhlen, die Franzosen wiederrum unterstellen dies den Slowakinnen und diese ekeln sich vor den angeblichen kuschelig weichen Beinen der Deutschen. Es gab darauf hin eine heiße Diskussion, die zugunsten aller Beteiligten und Beschuldigten (außer den Amerikanern, die ja bekanntlich an allem Schuld sind...) ausging und es wurde wiedereinmal gezeigt, dass die Völkerverständigung an solchen Vorurteilen nur wachsen kann. So also noch zu diesem.

Mit freudigen Grinsen auf meinen Bus mache ich mich jetzt auf den Weg in die Saukälte, denkt an mich, wenn ihr das nächste Mal öffentliche Verkehrsmittel benutzt,
Grüße Basti

Im Osten geht die Sonne auf und früher wieder unter.

Hallo ,



[Was bisher geschah: Bastian Mahler machte sich Anfang September Richtung Osten auf, genauer gesagt in die Slowakei. Erst verbrachte er drei anregende, nicht ganz so aufregende Wochen in Bratislava. Warum in Bratislava? Wegen eines Sprachkurs’. Warum nicht so aufregend? Weil der Osten nicht mehr so wild ist wie er einst war. Kurz darauf begann er in einer beschaulichen Stadt namens Trencin (www.trencin.sk) an einem traditionsreichen Gymnasium (www.glstn.sk) im Rahmen eines Praktikums seine ersten Versuche als Lehrer seiner Muttersprache. Deutsch also. Und davon soll dieser Bericht handeln.]

Mittlerweile ist es Ende November geworden und die Tage werden auch hier am Rande der Weißen Karparten trüber. Mein Gemüt? Das nicht. Denn ich finde wirklich Gefallen an dem was ich hier tue.

Nein! Lüge! Verzeiflung wo bist Du? Überwältige mich. Ich will doch nicht Lehrer werden! Nein! Doch! Nein!...

Also kurz gesagt, es gefällt mir gut hier und ich glaube ich werde Lehrer sein bis ans Ende meiner Tage- in der Slowakei. Das ist also bis Ende März. Was dann ist, wird man sehen.
Auf Slowakisch heißt das dann Uvidime. Schau mer mal.

Aber warum gefällt es mir denn das, was ich hier mache.

Nun, fangen wir bei den praktischen Dingen an.
Ich muss nur 12 Stunden die Woche arbeiten, was im Endeffekt dann allerdings mehr ist. Denn man muss ja seine Stunden auch noch vorbereiten (Bin ja noch Idealist und kein Studienrat).
Aber diese 12 Stunden verteilen sich zudem auf nur vier Tage die Woche. Angenehm, oder?

Der größte Unterschied zu Schulen und Schülern in Deutschland ist wohl, dass Lehrer hier noch Respektspersonen sind. Was möglicherweise mit dem Ausbleiben der 68er und ihren, mittlerweile verratenen Idealen zusammenhängt.
Wenn ein Lehrer ins Klassenzimmer kommt, stehen die Schüler auf und begrüßen einen.
Finde ich toll, ihr findet das altmodisch? Aber welch besseren Weg gibt es die Konzentration so schnell auf den Unterricht zu bringen. Ohne harte Worte, Drohungen und Gewalt.

Zudem werden hier alle Lehrer, oder besser gesagt Lehrerinnen, denn es ist in der Slowakei ein Frauenberuf, mit Profesor(ka) angesprochen. Obwohl hier keine( r) einen Prof.titel hat.
Das wiederum fand ich altmodisch, darum heiße ich hier ja auch „Herr Mahler“. Aber es ist schon irgendwie komisch mit 24 Jahren ständig so förmlich angesprochen zu werden. Jedoch man gewöhnt sich bekanntlich an alles.

Wie gesagt habe ich 12 Stunden Unterricht pro Woche. Davon sind 6 Stunden fest verplant und die andere Hälfte stehe ich zur freien Verfügung. Das heißt, wenn eine Lehrerin keinen Bock hat auf ihre Klasse oder ein Thema behandelt zu dem ich u.U. was wissen könnte (da ich zu kaum einem Thema kompetente Auskunft geben kann, eigene ich mich hervorragend für alle Themen. Vielleicht werde ich doch Journalist.), bietet sie mir ihre Stunde an.

Ist das der Fall übernehme ich für ein, zwei Stunden und behandle das entsprechende Thema. Und zwar so wie ich es möchte. Keiner macht mir großartig Vorschriften.
Also klare Arbeitsaufgabe, freie Hand. Das ist wie Chef sein, aber nicht verantwortlich.
Bei den anderen 6 Stunden habe ich meine festen Klassen bei denen ich nicht ganz so frei sein kann. Da ich(!) tatsächlich der bin, der sie aufs Abitur(!) vorbereiten soll. Aber auch hier gibt es keine Kontrolle.
Wo Freiheit waltet, die Freude wohnt!

Allerdings habe ich mich dann auch in diesem quasi neuen Umfeld doch nicht grundsätzlich geändert. Ich bin zwar pünktlicher geworden, trage auch so etwas wie Hemden, aber so richtig geändert? Nein.

Zum Beispiel habe ich es geschafft:

Eine Stunde einfach zu vergessen. Bin also nicht hin. Die Schüler waren glücklich. Ich auch. Denn ich wusste ja von nichts.

Natürlich habe ich auch schon verpennt. Die Schüler waren glücklich. Ich auch, bis mein Wecker klingelte...

Und ich habe auch schon einmal eine Kollegin vertreten. Allerdings die falsche. Ich stand in der Klasse und machte schon 10 Minuten Unterricht (die Schüler haben natürlich kein Ton gesagt), da kam sie rein und hat mich angeschaut, wie man eben Deutsche im Ausland so anschaut, wenn sie am falschen Ort zur falschen Zeit das Falsche machen.
Aber statt mich zur richtigen Klasse zu schicken, wollte sie, dass ich dort bleibe und ich auch die restliche Stunde halte- Erdkunde. Ich!
Wie viel Bundesländer hat Deutschland noch mal....?

Bei der Schulleitung fiel ich auch mal kurz in Ungnade, da ich, ausgerechnet der Deutsche, keine Lust hatte, sich in die Klassenbücher einzutragen. Nu, und da ich da nie drinstand, wurde vermutet ich arbeitete nichts.
War zwar dann bald wieder geklärt, aber jetzt schreibe ich natürlich gründlich alles doppelt und dreifach da rein (Soviel habe ich noch nie in meinem Leben gearbeitetJ)
Gehöre ich doch zum Volk der Bürokraten und Beamten.

Also eigentlich ist der Job ganz cool und vielleicht gefällt er mir auch über Mai hinaus. Das würde meinen Eltern und meinen Geldbeutel beruhigen (Bausparvertrag ich komme!!)
Denn irgendwie gefällt es mir mit den Schülern zu arbeiten, ihnen meine unnützes Wissen zu vererben, aber auch von ihnen neues zu erfahren.

Blöd an der ganzen Geschichte ist nur das frühe Aufstehen. Denn hier geht die Sonne morgens früher auf, bin ja im Osten. Wer verpennt, hat Pech gehabt, denn sie geht nämlich auch gnadenlos früher unter. Und Straßenbeleuchtung oder echtes Nachtleben müssen erst noch aus dem Westen importiert werden.

Drum mache ich mich jetzt um 17:00 Uhr auf in ein Teestube. Muss mich sputen, der Abend ist nicht mehr jung.

Bis bald,

aus dem Herzen Europas,

Basti

Willkommen im Wilden Osten

Ist es wirklich soo anders und soo schlimm hier in der Slowakei? Zu meiner (anfänglichen) Enttäuschung, es ist nicht, oder besser gesagt, kaum noch der wilde Osten.
Über 10 Jahre Kapitalismus haben ihn doch etwas gezähmt. Wobei diese Zähmung nicht unbedingt das beste ist, was einem Land passieren kann. Aber es macht dafür das Leben leichter.

Und mir macht es sehr viel Spass hier zu sein. Ich verweile nun schon fast 2 Monate in dieser 10 Jahre jungen Republik. Die Menschen sind freundlich, das Essen reichlich und das Bier ist gut.

Die Verständigung ist hier, dank der kleinen Größe der Slowakei (so groß wie Bayern), kein Problem. Viele können Deutsch, die anderen Englisch und der Rest hat ein freundliches Lächeln und Arme und Beine (ausgenommen Bedienungen und Kellner, bei denen ist Unfreundlichkeit Haupteinstellungskriterium).
Die slowakische Sprache an sich ist witzig. Denn die jahrehundertelange Habsburgerherrschaft hat sich auch in den Worten niedergeschlagen:
z.B. Speisa für Speisekammer
tankovať-tanken
tancovať-tanzen
vandrovať-wandern
pasovať-passen
etc.

Es ist also ein Leichtes diese Sprache zu lernen. Nicht! Welche slawische Sprache ist das schon, außerdem sprechen die alle, wie gesagt, Deutsch oder Englisch, da MUSS man ja gar nicht ihre Sprache lernen.

Allerdings sind die Slowaken dann doch begeistert, wenn man es tut. Die wichtigsten zwei Sätze, neben Ich bekomme bitte ein Bier (Prošim si pivo), sind Es tut mir leid, ich spreche kein Slowakisch und Ich spreche Deutsch oder Englisch.
Was dann heißt: Prepacte, ne hovorim po slovensky. Hovorim po nemecky alebo po anglicky.
Wenn man diese Sätze dann schnell und gekonnt ausspricht, sind des Gegenübers Augen dankbar und die weitere Kommunkation meist äußerst fruchtbar. Wenn auch dann wieder auf Deutsch oder Englisch.

Wie ist nun aber die Stadt in der ich lebe? Provinz?
„Wo ich bin, ist Provinz!“
Trenčin ist nicht wirklich Provinz, aber nicht wirklich keine (Jippie, doppelte Verneinung).
Es liegt mit dem Zug knapp 3 Stunden nordöstlich von der Donaumetropole Wien und anderthalb Stunden von Bratislava, formerly know as Pressburg.
Trenčin hat cirka 60 000 Einwohner, eine wachsende Industrie, den besten Eishockeyclub des Landes, 3 Gymnasien, 5 Mittelschulen (so etwas wie Berufsfachschulen), eine slowakische und eine amerikanische Uni, ein Schwimmbad, 2 Kinos und lauter nette, kleine, übersichtliche Kneipen. Die kenne ich allerdings noch nicht so gut. Also ich meine, nicht soo gut.

Ach, und hier ist auch noch ein relativ gut genutzter Armeestandpunkt. Besoffene Horden von Wehrpflichtigen am Abend gehören ins Stadtbild. Lang lebe die Verweigerung! Es stellt sich die Frage: Warum dürfen Soldaten eigentlich nicht kiffen!!

Einkaufen ist hier...einfach. Die Globalisierung kennt ja bekanntlich keine Grenzen. Geschweige den Schamgrenzen. Darum gibt es hier fast alle Westprodukte. Aber auch die dazugehörigen Westpreise. Die Namen der Sadisten: Tesco, Billa und Kaufland. So sehen die Leute hier, was es alles tolles zu kaufen gäbe, wenn man nur das Geld hätte. Selbst CDs sind hier so unverschämt teuer wie bei uns. DAS ist Piraterie!

An der Schule ist auch eine Lektorin aus Frankreich, die zusammen mit ihrem Freund, ein Jahr hier verbringen wird. Die haben es allerdings mit dem Einkaufen nicht so einfach wie der Deutsche, dem Genuß unbekannt ist, weil es dann doch nicht die gesamte Westwarenpalette gibt, sondern eben nur die der Exportweltmeister (oder sind wir da auch schon Vize?). Deutschland ist übrigens auch Investor Nummer 1 in der Slowakei. Mehr dazu in den nächsten Malen.
Das Problem der Franzosen. Hier gibt es nur 2 Arten von Käse. Gouda am Stück und Gouda in Scheiben.

Ich lebe in einer WG. Wobei man das W kleinschreiben muss. Die 30jährige, tschechische Studentin, die beim Militär arbeitet und jeden erdenklichen Sport treibt, den es gibt, hat Angst, dass ich sie hinterrücks überwältigen könnte und dann sonst was tun...Ohren putzen oder so.Deshalb ist sie nie zu Hause und immer bei ihrem Freund. Könnte allerdings auch sein, dass sie frisch verliebt ist und jeden erdenklichen Sport treibt... .

Aber ansonsten ist hier alles im grau-grünen Bereich. Irgendwie ist im Osten, auch in der sonst recht aufgeräumten Slowakei, ja alles immer mit einem Graustich versehen.

Noch 2 Worte zur Globalisierung:
Das diese nicht so schlecht ist, sondern auch ihre angenehmen Seiten haben kann, merkt man, wenn 2 Franzosen und ein Deutscher in einem slowakischen Pub sitzen, deutsches Bier trinken und sich blendend in Englisch unterhalten.

Desweiteren freut man sich zu entdecken, dass McDonald´s noch nicht überall den totalen Einfluß hat. Wenn nämlich in der hiesigen Fast-Food-Bude auf einem Cheeseburger, keine Bullete drauf ist, sondern tatsächlich nur CHEESE .Volle 2 cm dick.

Der Osten ist also gezähmt, aber bleibt weiter interessant. Mehr darüber in Kürze.
Mit einem herzlichen Ahoj,

Basti

Auf den Schultern von Riesen

Jetzt hab ich es geschafft: Eine meiner Karikaturen ist erstmals in einer richtigen Zeitung erschienen. Es ist eine Hommage an das geniale K...