Mittwoch, Mai 26, 2004

Som Nemec heißt Ich bin Deutscher oder Ich bin stumm.

Hallo Du-Ihr-Sie,

Manchmal ist es doch schön herauszufinden, woher Wörter stammen. Deutscher heißt auf Slowakisch z.B. „Nemec“. Was gleichbedeutend mit „stumm“ ist. Unser „dumm“ kommt von mhdt. „tumb“, was wiederum auch „stumm“ bedeutet. Wenn man nun Aussage A) mit Aussage B) verbindet,...
Aber zu Dummen soll man bekanntlich freundlich sein, was die Slowaken zweifelsfrei die letzte sechs Monate getan haben. Zu mir waren sie immer sehr nett. „Som Nemec“ Ich bin Deutscher oder ... .
Immer? Herr Mahler und seine Weltschönfärberei (Aber Dumme leben eben einfach glücklicher).
Na, gut, nicht immer waren sie nett zu mir. Eigentlich werden Slowaken nämlich stets dann unfreundlich, wenn sie Geld von einem bekommen können. Bedienungen, Verkäuferinnen, Bahnschalterbedienstete, Busfahrer, usw.
Möchte man z.B. einen Kaffee(den man dann durchaus zu bezahlen beabsichtigt), wird man von der Bedienung nur angeraunzt.
Fragt man hingegen die selbe Person nach dem Weg, lächelt sie, ist freundlich und würde einen am liebsten noch mit ans Ziel begleiten, wenn nicht schon wieder so ein verdammter Ar... von Gast einen Kaffee bestellen würde.
Verkehrte Welt.

Wenn man nun sechs Monate in einem Land gelebt hat, dann fängt man an Dinge zu hassen und zu lieben.
Was hasse ich also nach dieser Zeit an der Slowakei?
Den Wasserdruck!
Es gibt ihn einfach nicht. Für einen Spülgang auf der Toilette braucht man mindestens drei Versuche und viel Hoffnung. Zudem gewöhnt man es sich sehr schnell ab Mais zu essen. Es könnte ja mal Besuch vorbeikommen -dann kann man ja drei Tage vorher nicht aufs Klo gehen.
Eigentlich müssten die Slowaken viel mehr Weltphilosophen zu Tage gebracht haben, denn wenn man sich hier Wasser in ein Glas füllen will, hat man Zeit-viel Zeit-sehr viel Zeit zum Nachdenken.
Erstens dreht man den Hahn auf. Gelangt man schließlich an den Anschlag, freut man sich zunächst. Voller Euphorie schaut man empor, erblickt den Schrank, hebt den Arm, greift mit seiner Hand an die Schranktür und öffnet sie ohne Hast. Darauf nimmt man das Glas und hält es unter den Hahn, und während man noch versucht die anfängliche Euphorie zu halten, staunt man, wie langsam doch Wasser aus der Leitung kommen kann.
Was ich bei einem Kater und den darauffolgenden Brand schon alles für große Fragen klären konnte!
Hätte ich damals nicht so ein elendes Kopfweh gehabt und alles aufgeschrieben -die Welt wäre heute eine bessere.

Was ich aber an der Slowakei liebe?
Die Plattenbauten! Sie sind geräusch-, duft- und luftdurchlässig. Selbst wenn ich alle Fenster und Türen geschlossen habe, einen Drachen steigen zu lassen wäre immer noch möglich. Vorausgesetzt er ist sturmfest. Das schönste ist aber, wenn meine Nachbarn über mir das Mittagessen zu bereiten. Dann riecht es in meiner Wohnung ebenfalls danach. Aber nicht irgendwo riecht es nach Schnitzel, Suppe oder Eintopf. Nein, ausgerechnet auf meinem Klo. Also wenn das eine geht, kriegt man schon wieder Lust auf was neues. Allerdings stellt sich die Frage, wenn ich das von oben riechen kann, können die dann riechen, was von unten kommt? Die Spülung will einfach nicht funktionieren... .
Auch wenn man hier allein in der Wohnung lebt, hat man doch nie das Gefühl verlassen zu sein. Förmlich jedes Geräusch, jeder Schritt, jedes Telefonklingeln, jede Rammsteinsymphonie und jedes Tellerklappern hört man als säße man daneben. Der Wohnungsbau des Sozialismus hatte eben so etwas verdammt menschliches.
Und auch im beim Straßenbau können die Deutschen noch etwas von den Slowaken lernen. Warum kommt denn Deutschland nicht aus der Krise raus? Weil unserer Gehwege zu perfekt sind. Keine Löcher, keine Spalten, keine Risse- nichts!
Wenn der Deutsche spazieren geht, dann muss er nicht auf den Weg achten. Er hat also genug Zeit zum nachdenken. Nachdenken worüber er sich als nächstes beschweren könnte, worüber er noch jaulen könnte, was alles schlecht ist und warum er sich jetzt kein Zweit-DVD-Spieler leisten kann.
Müsste er aber über eine Kraterlandschaft balancieren nur um annährend ohne gebrochene Gliedmaßen ans Ziel zu kommen, würde er sich zwingen Lösungen für die schlechten Zustände zu finden und nicht mehr über die Krise jaulen, sondern sie beseitigen.
Schlagt Löcher in die Gehwege und Deutschland geht es besser!
-Großartiger Gedanke, nicht? Ist mir eines morgens beim Teemachen eingefallen, als ich gerade den Topf (5 Liter) unter den Wasserhahn gehalten habe... .

Wie ihr seht, habe ich das letzte halbe Jahr im Herzen Europas gut genutzt, um das Land, die Leute und den Alltag bis ins kleinste Detail kennen zu lernen. Dabei habe ich wahrscheinlich die wirklich wichtigen und großen Dinge übersehen. Na, ja, ich komme ja mal wieder hierher.
Aber jetzt reicht es erst mal. Ich will wieder studieren, den Sommer in München erleben und viel zu hohe Preise für Bier und Miete bezahlen.
Mal sehen, vielleicht fallen mir in München jetzt ja auch so interessante Dinge auf, wie Wasserdruck, Gehwegszustände, o.ä.
Alle, die bis hierhin gelesen habe, hoffe ich bald wiederzusehen. Die anderen bekommen diesbezüglich eben keine Warnung vorausgeschickt.

Dovidenia und auf Wiedersehen aus Trencin,Slowakei,

Bastian

P.S.: Heute hatte ich meinen letzten Tag in der Schule und ich habe es tatsächlich geschafft zu verschlafen. Ich bin wieder ganz der Alte. ;)


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