Mittwoch, Mai 26, 2004

Im Osten geht die Sonne auf und früher wieder unter.

Hallo ,



[Was bisher geschah: Bastian Mahler machte sich Anfang September Richtung Osten auf, genauer gesagt in die Slowakei. Erst verbrachte er drei anregende, nicht ganz so aufregende Wochen in Bratislava. Warum in Bratislava? Wegen eines Sprachkurs’. Warum nicht so aufregend? Weil der Osten nicht mehr so wild ist wie er einst war. Kurz darauf begann er in einer beschaulichen Stadt namens Trencin (www.trencin.sk) an einem traditionsreichen Gymnasium (www.glstn.sk) im Rahmen eines Praktikums seine ersten Versuche als Lehrer seiner Muttersprache. Deutsch also. Und davon soll dieser Bericht handeln.]

Mittlerweile ist es Ende November geworden und die Tage werden auch hier am Rande der Weißen Karparten trüber. Mein Gemüt? Das nicht. Denn ich finde wirklich Gefallen an dem was ich hier tue.

Nein! Lüge! Verzeiflung wo bist Du? Überwältige mich. Ich will doch nicht Lehrer werden! Nein! Doch! Nein!...

Also kurz gesagt, es gefällt mir gut hier und ich glaube ich werde Lehrer sein bis ans Ende meiner Tage- in der Slowakei. Das ist also bis Ende März. Was dann ist, wird man sehen.
Auf Slowakisch heißt das dann Uvidime. Schau mer mal.

Aber warum gefällt es mir denn das, was ich hier mache.

Nun, fangen wir bei den praktischen Dingen an.
Ich muss nur 12 Stunden die Woche arbeiten, was im Endeffekt dann allerdings mehr ist. Denn man muss ja seine Stunden auch noch vorbereiten (Bin ja noch Idealist und kein Studienrat).
Aber diese 12 Stunden verteilen sich zudem auf nur vier Tage die Woche. Angenehm, oder?

Der größte Unterschied zu Schulen und Schülern in Deutschland ist wohl, dass Lehrer hier noch Respektspersonen sind. Was möglicherweise mit dem Ausbleiben der 68er und ihren, mittlerweile verratenen Idealen zusammenhängt.
Wenn ein Lehrer ins Klassenzimmer kommt, stehen die Schüler auf und begrüßen einen.
Finde ich toll, ihr findet das altmodisch? Aber welch besseren Weg gibt es die Konzentration so schnell auf den Unterricht zu bringen. Ohne harte Worte, Drohungen und Gewalt.

Zudem werden hier alle Lehrer, oder besser gesagt Lehrerinnen, denn es ist in der Slowakei ein Frauenberuf, mit Profesor(ka) angesprochen. Obwohl hier keine( r) einen Prof.titel hat.
Das wiederum fand ich altmodisch, darum heiße ich hier ja auch „Herr Mahler“. Aber es ist schon irgendwie komisch mit 24 Jahren ständig so förmlich angesprochen zu werden. Jedoch man gewöhnt sich bekanntlich an alles.

Wie gesagt habe ich 12 Stunden Unterricht pro Woche. Davon sind 6 Stunden fest verplant und die andere Hälfte stehe ich zur freien Verfügung. Das heißt, wenn eine Lehrerin keinen Bock hat auf ihre Klasse oder ein Thema behandelt zu dem ich u.U. was wissen könnte (da ich zu kaum einem Thema kompetente Auskunft geben kann, eigene ich mich hervorragend für alle Themen. Vielleicht werde ich doch Journalist.), bietet sie mir ihre Stunde an.

Ist das der Fall übernehme ich für ein, zwei Stunden und behandle das entsprechende Thema. Und zwar so wie ich es möchte. Keiner macht mir großartig Vorschriften.
Also klare Arbeitsaufgabe, freie Hand. Das ist wie Chef sein, aber nicht verantwortlich.
Bei den anderen 6 Stunden habe ich meine festen Klassen bei denen ich nicht ganz so frei sein kann. Da ich(!) tatsächlich der bin, der sie aufs Abitur(!) vorbereiten soll. Aber auch hier gibt es keine Kontrolle.
Wo Freiheit waltet, die Freude wohnt!

Allerdings habe ich mich dann auch in diesem quasi neuen Umfeld doch nicht grundsätzlich geändert. Ich bin zwar pünktlicher geworden, trage auch so etwas wie Hemden, aber so richtig geändert? Nein.

Zum Beispiel habe ich es geschafft:

Eine Stunde einfach zu vergessen. Bin also nicht hin. Die Schüler waren glücklich. Ich auch. Denn ich wusste ja von nichts.

Natürlich habe ich auch schon verpennt. Die Schüler waren glücklich. Ich auch, bis mein Wecker klingelte...

Und ich habe auch schon einmal eine Kollegin vertreten. Allerdings die falsche. Ich stand in der Klasse und machte schon 10 Minuten Unterricht (die Schüler haben natürlich kein Ton gesagt), da kam sie rein und hat mich angeschaut, wie man eben Deutsche im Ausland so anschaut, wenn sie am falschen Ort zur falschen Zeit das Falsche machen.
Aber statt mich zur richtigen Klasse zu schicken, wollte sie, dass ich dort bleibe und ich auch die restliche Stunde halte- Erdkunde. Ich!
Wie viel Bundesländer hat Deutschland noch mal....?

Bei der Schulleitung fiel ich auch mal kurz in Ungnade, da ich, ausgerechnet der Deutsche, keine Lust hatte, sich in die Klassenbücher einzutragen. Nu, und da ich da nie drinstand, wurde vermutet ich arbeitete nichts.
War zwar dann bald wieder geklärt, aber jetzt schreibe ich natürlich gründlich alles doppelt und dreifach da rein (Soviel habe ich noch nie in meinem Leben gearbeitetJ)
Gehöre ich doch zum Volk der Bürokraten und Beamten.

Also eigentlich ist der Job ganz cool und vielleicht gefällt er mir auch über Mai hinaus. Das würde meinen Eltern und meinen Geldbeutel beruhigen (Bausparvertrag ich komme!!)
Denn irgendwie gefällt es mir mit den Schülern zu arbeiten, ihnen meine unnützes Wissen zu vererben, aber auch von ihnen neues zu erfahren.

Blöd an der ganzen Geschichte ist nur das frühe Aufstehen. Denn hier geht die Sonne morgens früher auf, bin ja im Osten. Wer verpennt, hat Pech gehabt, denn sie geht nämlich auch gnadenlos früher unter. Und Straßenbeleuchtung oder echtes Nachtleben müssen erst noch aus dem Westen importiert werden.

Drum mache ich mich jetzt um 17:00 Uhr auf in ein Teestube. Muss mich sputen, der Abend ist nicht mehr jung.

Bis bald,

aus dem Herzen Europas,

Basti

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