Samstag, Dezember 25, 2021

Der Ursprung des Weihnachtsmanns

 

Der Weihnachtsmann – ein runder alter Mann mit weißem Bart in rotem Mantel und mit roter Mütze auf einem Rentierschlitten, der vom Nordpol aus alljährlich die Kinder der Welt beglückt, so kennt man den festlichen Gabenbringer. Skeptiker werden aber nicht müde zu behaupten, dass der so beschriebene Weihnachtsmann eine Kunstfigur sei, die von einem amerikanischen Limonadenhersteller erfunden worden ist.

Man möchte ihnen Recht geben, allerdings nicht in allen Punkten. So gibt es durchaus ein historisches Vorbild für den kitschigen Mann mit Rauschbart. Hier kommt es jedoch auf die Details an. Und zwar nicht nur, was die Herkunft und die Kleidung, sondern auch die tierische Begleitung angeht.

Oft wird gesagt, dass der Ursprung für den Weihnachtsmann beim heiligen Nikolaus liege. Stimmt, aber nur indirekt. Vielmehr tritt der Weihnachtsmann das erste Mal auf, als St. Niklas abtreten muss.

Es war in einem kleinen Örtchen im heutigen Thüringen, welches aufgrund der Reformation plötzlich allen katholischen Bräuchen eine Absage erteilte. Dies betraf auch die Heiligenverehrung und somit zwangsläufig den Heiligen Nikolaus. Wo kein Nikolaus, da auch kein gefüllter Stiefel am Nikolausabend. Mag die Abkehr aus politisch-theologischer Sicht nachvollziehbar gewesen sein, für die Kinder war es ein herber Verlust. Es fehlten sodann nicht nur Apfel, Nuss und Mandelkern, sondern auch das wohlige Schaudern vor der Rute und der Frage, wer von den Lausbuben, und natürlich auch Lausmädchen, vielleicht in den Sack gepackt werde.

Während die meisten Erwachsenen und Eltern diese einschneidende Veränderung mit einem gleichgültigen Schulterzucken akzeptierten, wie sie als kleine Untertanen schon so oft und schon so vieles in ihrem Leben akzeptieren mussten, gab es in besagtem Ort einen schmächtigen, einfühlsamen Dorflehrer, der die Trauer der Kinder nicht hinnehmen wollte. Er grübelte, wie er die gerissene Lücke schließen konnte.

Als wieder einmal der Kirchenchor zu seinen Proben für die Adventslieder in der Schule zusammengekommen war, stellte er ihnen seinen Plan vor. Die anfängliche Skepsis wich schnell großer Begeisterung, da sich plötzlich viele die schönen Nikolausabende ins Gedächtnis riefen und erkannten, dass ihren Kindern etwas fehlte. Selbst der Pfarrer war begeistert, wies aber darauf hin, dass der neue Gabenbringer dem Nikolaus nicht zu sehr ähneln durfte, um Ärger mit der Obrigkeit zu vermeiden.

Er habe auch noch einen roten Anzug übrig, warf der Schneider ein, den ein Geschäftsmann aus der Nachbarstadt geordert hatte, aber plötzlich am Herztod gestorben wäre. Die Motten hätten jedoch die Ränder schon angenagt. Da meinte der Schäfer, dass er gerne etwas Lammfell zur Behebung der Schäden beisteuern wolle. Außerdem könne sich das Lehrerlein mit weiteren Lammfellresten einen Bart basteln, sodass ihn die Kinder nicht gleich erkennen würden. Eine rote Schlafmütze mit Lammfellrand sollte die Verkleidung komplettieren. Das unterscheide ihn klar vom Nikolaus und seiner Mitra, Bischofsstab und goldenem Gewand. Ein begeistertes Prost besiegelte den Plan.

Alle Eltern sollten zudem aufgerufen werden, kleine Geschenke für die Kinder beizusteuern. Emsig machten man sich ans Werk. 

Bald schon war Weihnachten. Der Lehrer hatte die Tage in der nahen Residenzstadt verbracht, da sein Dienstherr alle Bediensteten kurzfristig zu einer Schulung einberufen hatte. Dies hatte zur Folge, dass der zukünftige Weihnachtsmann keinen Einfluss mehr auf die Vorbereitungen für den Heiligen Abend treffen konnte. Da er jedoch erst kurz vor Dämmerungseinbruch wieder heimkehrte, blieb auch für Rücksprache keine Zeit. Als er zu Hause ankam, sah er, dass seine Sorge unbegründet gewesen war: Unter dem Vordach an seiner Hintertür lehnte der Sack mit den Gaben, daran lehnte eine Rute und darauf lag das rote Gewand samt Bart und Mütze.

Geschwind entledigte er sich seinem Reisegepäck und schlupfte in das Kostüm, doch oh Schreck! Der verblichene Geschäftsmann hatte wohl einen deutlich größeren Bauchumfang gehabt, das Oberhemd reichte dem Lehrerlein bis an die Knie und die Hose schlapperte im Wind. Der designierte Gabenbringer war jedoch nicht auf den Kopf gefallen: Er stapfte kurzerhand durch den tiefen Neuschnee zum benachbarten Bauern und bat ihn um mehrere Handvoll Stroh, mit dem er das Gewand ausstopfte. Der Nachbar half ihm auch den Bart aus Lammfell festzuzurren und die Mütze zu fixieren. Voller Tatendrang kehrte der Rotgewandete zurück, um den Sack zu schultern und die Kinder aufzusuchen. Jedoch kam das schmächtige Lehrerlein in seinem Stroh gestopften Kleid nicht weit, konnte er doch trotz allen Kraftaufwands den Sack nicht mehr als ein, zwei Meter tragen, dann musste minutenlang verschnaufen. In diesem Tempo würde er kaum alle Familien in der Nacht besuchen können. Er hatte ja noch nicht einmal seinen Garten verlassen.

Plötzlich hörte er Schritte im Schnee. Der benachbarte Bauer hatte das vergebliche Bemühen beobachtet und daraufhin aus seinem Schuppen den Lastenschlitten geholt. Zu zweit gelang es den beiden, den Sack auf das Gefährt zu hieven. Doch auch jetzt noch war das Lehrerlein zu schwach, um den Schlitten fortzubewegen. Der Bauer jedoch konnte ihn nicht begleiten, denn seine Frau lag krank im Bett. Alle anderen Männer waren bereits im Kreise ihrer Familien beim Adventslieder singen. Auch konnte ihm der Landwirt seinen Ochsen für den Schlitten nicht zur Verfügung stellen, da dieser sich das Bein verstaucht hatte. Nun war guter Rat teuer. Stumm sinnierten die beiden in der kalten Winternacht. Die Stille wurde nur durch das Grunzen der Schweine des Bauern unterbrochen, die noch ganz aufgeregt waren, weil er seinen Schlitten mitten in der Nacht aus dem Stall herausgeholt hatte.

Plötzlich rannte der Bauer los. Minuten später kam er mit einer Sau im Schlepptau zurück. Damit sollte es gehen, meinte er und spannte das Tier ins Geschirr. Und siehe da, das überaus zahme Borstentier zog bereitwillig den Schlitten über die verschneiten Wege. 

Das etwas schräge Paar hatte großen Erfolg. An den Fenstern lugten leuchteten Kinderaugen hervor, die den roten Mann mit seinem Schwein beobachteten, wie er all überall Gaben und Geschenke brachte. Von nun an sollte der Weihnachtsmann, wie er alsbald genannt wurde, regelmäßig kommen. Bald schmückten sein Bild jede Stube: der dicke rote Mann mit Rauschebart auf einem Schlitten gezogen von einem Schwein. 

Schnell sprach sich dieser wundersame neue Brauch in der Gegend herum. Die Geschichte erreichte auch das Städtchen Sonneberg, welches für seine Spielzeugproduktion, dem „Nürnberger Tand“ weit und breit bekannt war. Die wichtigen Herren der Stadt fanden großen Gefallen an der Idee, dass es nun zu Heiligabend ein gewichtiger Gabenbringer Geschenke an die Kleinen verteilen sollte. Warum aber sollten das nur Nüsse und Lebkuchen sein, Spielzeug wäre doch auch eine Option. Irritiert waren sie allerdings von dem Begleiter des so genannten Weihnachtsmanns. Ein Schwein passte so gar nicht in ihre herrschaftliche Vorstellung. Schnell einigte man sich darauf, die Sau durch stattliche Hirsche, die den fliegenden Schlitten im Verbund ziehen sollten, zu ersetzten. Auch sollte der Weihnachtsmann mystischer werden und so wurde sein Wohnort, der bisher irgendwo im thüringischen Wald lag, an den Nordpol verlegt. 

Kaum war die Marketingmaschine angelaufen, dominierte bald das neue Bild des Weihnachtsmanns, welches im Jahre 1900 auch auf der Weltausstellung in Paris vorgestellt wurde. Dort sah es ein US-Amerikaner, der für einen Limonadenhersteller arbeitete, und der Rest ist Geschichte. 

Das Weihnachtsschwein hatte leider nur eine kurze Blüte. Allerdings war unter den ersten Kindern, die von ihm und dem Weihnachtsmann beschenkt worden waren, eine Junge, der später eine Karriere als Konditor in Lübeck machen sollte. Da er es sehr schade fand, dass das Weihnachtsschwein so unwürdig abserviert worden war, er es aber in schöner Erinnerung hatte, verschaffte der dem Schweinchen eine neue Aufgabe: Von nun an war es der ständige Begleiter der Schornsteinfegerfigur, die er als Neujahrsglücksgruß zwischen seinen Kuchen und Torten anbot. Als rosa Marzipanfigur mit Glückspfennig im Maul war das Schwein bald sogar beliebter als einst. Und ist es bis heute. Welch ein Glück!

Weitere Sagen und Geschichten findet ihr in meinem kleinen Erzählband "Wie die Isarflößer das Surfen erfanden". Jetzt überall im Buchhandel oder direkt beim Volk Verlag München erhältlich.

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